Person tippt mit linker Hand auf einer Laptoptastatur und mit der rechten hand hält sie ein Smartphone.

KI-Schreibtools in Seminararbeiten: eine didaktische Perspektive

Die Verfügbarkeit generativer Künstlicher Intelligenz (KI), mithilfe derer Text produziert werden kann, beschäftigt viele Lehrende. Müssen Lehrveranstaltungen und Prüfungen jetzt neu konzipiert werden? Es hilft, sich noch einmal mit didaktischen Grundlagen zu beschäftigen, um diese Frage zu beantworten. Das ZfW bietet Ihnen hier Hilfestellungen.

Konzept aufstellen

Was ist Ihr Ziel?

Im letzten Jahr wurden die Auswirkungen von Anwendungen wie ChatGPT auf das akademische Schreiben an Hochschulen breit diskutiert. Wir werden oft gefragt, wie Lehrende mit ChatGPT und Co., d. h. textgenerierender Technologie (im Folgen TGT) umgehen sollen. So nachvollziehbar der Wunsch nach einer allgemeingültigen Lösung ist: Es gibt sie nicht und es kann sie aufgrund fach- und kontextspezifischer Unterschiede nicht geben.
Aus didaktischer Perspektive ist es wichtig, bei den Grundlagen zu beginnen, d.h. in der Planung der Lehrveranstaltung.
Wenn Sie sich das Konzept überlegen, sind Sie als Lehrende*r gefordert, sich intensiv mit den Lernzielen Ihrer Lehrveranstaltung auseinanderzusetzen. Wenn Studierende im Rahmen Ihrer Lehrveranstaltung beispielsweise eine Hausarbeit schreiben sollen, sollten Sie zunächst überlegen, welche Lernziele Sie damit verfolgen.
Ein Lernziel Ihrer Veranstaltung könnte z.B. sein, dass die Studierenden in der Lage sind, mit Fachliteratur im eigenen Text umzugehen. Dafür benötigen die Lernenden Kompetenzen in der Recherche, Quellenbewertung, Strukturierung, methodischem Vorgehen und letztlich Zitation.

Reflexionsfragen zum Lernziel

Der Umgang mit Fachliteratur im eigenen Text ist nicht neu, deshalb können Sie sich für Ihre Lehre fragen:
Wie sind Studierende bisher an diese Schreibaufgaben herangegangen?

Welche Hilfsmittel haben sie bisher genutzt?

Was passiert dabei?

Welche Kompetenzen sollen sie erwerben?
Es folgt die Auseinandersetzung damit, was sich durch TGT geändert hat. Dabei können Reflexionsfragen wie diese hilfreich sein:
Was ändert sich durch die Nutzung textgenerierender Technologien?

Welche Aspekte treten dabei in den Vordergrund?

Welche (neuen) Kompetenzen können erworben werden?
Möglicherweise kommen Sie dabei zu dem Schluss, dass die Nutzung von TGT keinen Unterschied macht. Oder Sie sehen die Notwendigkeit, die Anforderungen an Studierende und damit die Lehr-Lern-Aktivitäten in der Lehre anzupassen. Dann können Sie sich fragen:
Welche Art des Lernens braucht es dafür?

Wie lassen sich diese Lernprozesse sichtbar machen?
„Wie übersetzen wir diese Lernprozesse und Kompetenzen in Kriterien?“

Bewertungskriterien

Sobald es um die Bewertung von Seminararbeiten geht, stellt sich möglicherweise eine neue Herausforderung. Denn wenn sich Ihre Lernziele und damit die adressierten Kompetenzen gänzlich oder teilweise verändern, müssen Sie auch die Bewertungskriterien für die Prüfung anpassen. Die Frage lautet also: Wie übersetzen wir diese Lernprozesse und Kompetenzen in Kriterien? Dabei helfen uns die Antworten auf die vorherigen Fragen.
Es könnte sein, dass Sie z.B. feststellen, dass es unter der Nutzung von TGT für den Umgang mit Fachliteratur wichtig ist, wie Studierende prüfen können, ob es eine Quelle überhaupt gibt, oder ob sie eine Datenhalluzination der TGT ist. Dann könnte das zu einem neuen Kriterium namens „Quellenangaben der TGT in Datenbanken überprüfen” führen. Vorher lautete die Lernaufgabe und damit das Kriterium vielleicht „Quellen in Datenbank XY finden“.
Die Autorinnen Nadine Lordick und Julia Philipp haben beim University Future Festival 2023 einen Vortrag zum Thema gehalten unter dem Titel „Kompetenzorientiertes Prüfen im Zeitalter von KI-Schreibtools“. Er ist bei Youtube abrufbar.
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Fazit

Dass neue Technologien Unsicherheiten auslösen, ist ein bekanntes Phänomen. Mit einer Technologie, die direkt in die Produktion von Texten eingreift – die gerade in der Wissenschaft und im Studium Grundlage für das tägliche Arbeiten sind – erscheinen die Probleme, die sich ergeben, noch größer. Dabei stellen sich Fragen, die gar nicht so neu sind, wie sie zunächst wirken: Wie gestalten wir Lernprozesse? Wie gehen wir damit um, wenn es nicht so läuft, wie wir erhoffen? Grundlagenkonzepte der Didaktik geben vielfältige Antworten auf diese Fragen. Zuletzt bleibt vielleicht trotzdem ein Rest Unsicherheit – und das ist in Ordnung.

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Julia Philipp
Julia Philipp ist verantwortlich für den LEHRELADEN des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik und beschäftigt sich hauptsächlich mit prüfungsdidaktischen Themen. Sie konzipiert und leitet Fortbildungen zum Thema Prüfen und zu anderen Themen rund um die Lehre, z.B. kreativen Lehr- und Lernmethoden.

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