Ein Thema finden und eingrenzen

Screenshot "Hausarbeiten schreiben Teil 2".
Die Suche nach einem Thema für die nächste Haus- oder Seminararbeit fühlt sich oft ähnlich erfolgsversprechend an wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, wie Sie bei der Themenfindung und -eingrenzung vorgehen können.
Worum es in dieser Serie geht
Diese Serie richtet sich an Studierende, die eine Hausarbeit schreiben (wollen). In loser Folge werden wir – die Mitarbeiter*innen des Schreibzentrums – verschiedene Aufgaben erläutern, die beim Schreiben einer Hausarbeit auf Sie zukommen, und Ihnen Anregungen dazu geben, wie Sie sie konkret bewältigen können. Wir werden uns dabei bemühen deutlich zu machen, was fachübergreifend gilt und was fachspezifisch ist. Sie sollten dennoch prüfen (oder jemanden fragen), ob das, was wir hier sagen, auch so auf Ihr Fach zutrifft.
Die Wahl eines geeigneten Hausarbeitsthemas treibt gerade Studierende der Geisteswissenschaften um (in den Ingenieur- und Naturwissenschaften z. B. sind Hausarbeiten weit weniger üblich, und wenn, dann sind die Themen oft vorgegeben). Ein Thema zu finden und einzugrenzen kann mitunter Teil der Prüfungsleistung sein. Doch keine Panik! Ein selbst gewähltes Thema birgt auch einen entscheidenden Vorteil: Wenn es den eigenen Weiterentwicklungs- und Studieninteressen entspricht, können Sie das Wissen, das Sie durch die intensive Beschäftigung mit Ihrer Fragestellung erwerben, langfristig nutzen. Und noch pragmatischer gedacht:
Eine Hausarbeit ist ein recht zeitintensives Unterfangen. Warum diese Zeit nicht in ein Thema investieren, das Sie wirklich interessiert?
In diesem Blogbeitrag stelle ich einige Herangehensweisen vor, die Ihnen die Themenfindung und -eingrenzung (hoffentlich) erleichtern.

1. „Soul-Searching“, oder: Worum geht es mir eigentlich?

Mann der Mütze trägt in nachdenklicher Pose.
Erinnern Sie sich noch an Die unendliche Geschichte? Und den mysteriösen Leitspruch „Tu, was Du willst“ des fiktiven Königreiches Phantasiens, auf den sich der Protagonist zunächst keinen Reim machen kann? Im Verlauf des Romans wird klar, dass die Betonung entscheidend ist: „Tu, was Du willst.“ Der Leitspruch meint kein anything goes, sondern fordert uns vielmehr dazu auf, in uns hineinzuhören, um herauszufinden, was uns eigentlich am Herzen liegt. Es spricht nichts dagegen, so auch bei der Themensuche für unsere Hausarbeit vorzugehen. Überlegen und notieren Sie: Was reizt mich an einem Thema besonders? Was möchte ich über dieses Thema wissen? Welcher Aspekt verdient aus meiner Sicht eine nähere Untersuchung? Was wurde meines Erachtens noch nicht hinreichend thematisiert? Welche Fragen oder Probleme sehe ich?
Sollten Ihnen nach dieser „Gewissensprüfung“ mehrere Themen zur Auswahl stehen, führen Sie zu jedem Thema eine kleine Recherche durch. Analysieren Sie die jeweiligen Problemstellungen, erkunden Sie ihre Kontexte, suchen Sie nach Materialien. Prüfen Sie, welche Ressourcen und Vorgehensweisen Sie jeweils zur Bearbeitung benötigen.
Machen Sie sich hierfür zunächst eine Vorstellung davon, wie das Thema in der Wissenschaft diskutiert wird. Stöbern Sie in Fachlexika und Handbüchern, um einen ersten Überblick zu bekommen. Über die aktuelle Forschungslage informieren Sie sich am besten in aktuellen Zeitschriftenaufsätzen (sog. reviews) oder Metastudien. Notieren Sie, was konkret diskutiert wird bzw. welche Aspekte in der Forschung strittig sind. Fragen Sie sich anschließend (ehrlich!), welches Thema Ihren persönlichen Forschungsinteressen am nächsten kommt.

2. Ein pragmatischer Zugang

Hand greift zum Türgriff.
Doch was mache ich, wenn ich das Gefühl habe, das Themengebiet meiner Hausarbeit noch gar nicht richtig zu überblicken? Oder wenn ich die geplante Hausarbeit eher als lästige Pflichtübung für einen dringend benötigten Schein sehe? (Soll ja vorkommen…) In solchen Situationen fehlen mir mitunter sowohl Interessen als auch Kompetenzen, an denen wir anknüpfen könnten. Doch Gott sei Dank gibt es noch viele andere Mittel und Wege zu einem geeigneten Hausarbeitsthema!
Gerade am Anfang des Studiums, wenn wir uns in unserem Fach erst noch zurechtfinden müssen, empfiehlt es sich zum Beispiel, in den Seminardiskussionen besonders aufmerksam zu sein – vielleicht werden Sie so auf interessante Fragen oder Aspekte eines Themas gelenkt? Es kann sich auch lohnen, auf den eigenen Unwillen bzw. die eigene Skepsis gegenüber einem Thema zu achten und sich zu fragen: Was genau verursacht dieses Gefühl in mir? Warum scheint mir etwas unklar oder erklärungsbedürftig? Gibt es vielleicht sogar konträre Forschungsmeinungen, aus denen ich weitere Inspiration für ein mögliches Thema ziehen kann?
Ok, das klingt alles gut und schön, aber was machen jene unter uns, die einfach nur einen Schein benötigen? Wie kommen wir in solch einer Situation an ein geeignetes Hausarbeitsthema? In diesem Fall plädiere ich für Pragmatismus. Damit will ich nicht etwa sagen, dass wir nachlässig oder gleichgültig an die Themensuche gehen sollten. Fragen wir uns stattdessen ehrlich, an welches Vorwissen oder an welche Erfahrungen wir anknüpfen können. Sie haben in der Oberstufe eine Facharbeit zu einem Shakespeare-Sonett geschrieben und sitzen jetzt in einem Einführungskurs zur englischen Literatur? Warum schreiben Sie nicht etwas zur Sonettform bei Petrarca? Oder zum Thema Vergänglichkeit in [Titel eines beliebigen Shakespeare-Dramas einfügen]? Vielleicht können Sie auch auf Erfahrungen und Vorwissen aus anderen Seminaren oder Ihrer eigenen Lektüre aufbauen? Ziehen Sie Querverbindungen, um an bereits bestehendes Wissen anzuknüpfen.

3. Inspiration finden (und ihr folgen)

Frau mit Rücken zum Betrachter streckt ihren linken Arm nach hinten aus.
Vielleicht geschieht es Ihnen, dass Sie bei der Themensuche irgendwann aufmerken und sich denken: „Moment mal. Das ist doch irgendwie…“ Manchmal hat man nur ein Gefühl oder eine Intuition. Irgendetwas erscheint kurios, rätselhaft, merkwürdig… Man hat den Eindruck, vor einem Rätsel zu stehen und möchte eine Antwort darauf. Gratulation, trauen Sie sich, diesem Gefühl nachzugehen! Jede wissenschaftliche Überlegung geht von einem Rätsel bzw. Problem aus. Wenn Sie zunächst keines sehen, suchen Sie nach dem Rätselhaften, Erstaunlichen oder Widersprüchlichen in Ihrem Thema. Unsere Forschung wird dadurch spannender (wie in einem Kriminalroman haben wir den Ansporn, das Rätsel zu lösen) und sogar leichter! Denn steht ein Problem im Fokus unserer Untersuchung, strukturiert es unsere Gedanken um sich herum.
Die besondere Herausforderung bei dieser Vorgehensweise besteht darin, ein wirkliches Problem zu identifizieren. Manchmal aber neigen wir dazu, einen Hinweis auf ein Problem mit dem Problem selbst zu verwechseln. Seien Sie nicht wie der unfähige Arzt, der nur Symptome behandelt! Betreiben sie stattdessen Ursachenforschung, um zum eigentlichen Problem vorzudringen. Fragen Sie sich bei jedem Symptom, jedem Anzeichen, welche Ursache dahinterstehen könnte. Wiederholen Sie dies so lange, bis Sie das Gefühl haben, das Grundproblem erkannt zu haben. Dazu ein schönes Beispiel aus der aktuelleren Wissenschaftsgeschichte: Die beiden Physiker Arnold Allan Penzias und Robert Woodrow Wilson arbeiteten an einer Funkantenne. Dabei nahmen sie immer wieder ein störendes Hintergrundrauschen wahr, dessen Ursache sie auch nach einem Jahr nicht ausfindig machen konnten. Penzias klagte einem befreundeten Physiker, Robert H. Dicke, sein Leid. Dieser merkte an, ob es sich bei diesem Rauschen nicht um die von einigen Theoretikern bislang nur postulierte, jedoch nicht nachgewiesene Mikrowellen-Hintergrundstrahlung handelte (einem „Überbleibsel“ des Urknalls). Er lag richtig! Für ihre Entdeckung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung erhielten Penzias und Wilson 1978 den Nobelpreis.
Abschließend noch ein Hinweis: Vor allem wenn Sie noch unerfahren im Schreiben von Hausarbeiten sind, sollten Sie Ihr selbstgewähltes Thema unbedingt mit der jeweiligen Lehrperson absprechen. Sie kann Ihnen Hinweise bzw. Rückmeldung darauf geben, ob das Thema wirklich geeignet ist, oder ob Sie womöglich auf eine Sackgasse (oder ein viel zu weites Themenfeld) zusteuern.

Ein Themenfeld eingrenzen

Kreisförmige Farbpalette,; im Mittelpunkt befindet sich eine Lupe.
Hierbei handelt es sich um den nächsten Meilenstein auf dem Weg zur gelungenen Hausarbeit.
Platon zufolge ist das Staunen Anfang aller Philosophie. Dies gilt auch für die Wissenschaft als Ganzes; schließlich gehen Forscher*innen von Fragen aus. Wissenschaftlich zu arbeiten bedeutet, Dingen auf den Grund zu gehen, d. h. nachzuforschen und Fragen zu stellen. Indem wir unser Thema eingrenzen (s. u.), begrenzen wir nur das Feld, innerhalb dessen wir eine Fragestellung suchen, die wir in unserer Hausarbeit beantworten. Die Fragestellung wiederum bestimmt unseren Blick auf ein Thema bzw. Objekt. Sie steht mithin für unterschiedliche (Fach-)Perspektiven, kann aber auch dazu dienen, Fragen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu stellen. Dies veranschaulicht Laurens Schlicht in seiner kurzweiligen Einführung Wie geht Wissenschaft? (2022: 20) am Beispiel eines (nur auf den ersten Blick) profanen Alltagsgegenstandes:

Dies veranschaulicht Laurens Schlicht in seiner kurzweiligen Einführung Wie geht Wissenschaft? am Beispiel eines (nur auf den ersten Blick) profanen Alltagsgegenstandes:

„Wir können uns einen Stuhl ansehen und uns fragen, ob er wohl bequem ist. Wir können uns aber auch fragen, in welcher Geschichte der Innenarchitektur, des Designs der Stuhl steht. Oder wir fragen uns in der Technikgeschichte, wie der Stuhl hergestellt wurde und seit wann es die zu seiner Fertigung nötigen Produktionstechniken gibt. Oder wir möchten herausfinden, in welcher Kultur der Geselligkeit ein solcher Stuhl seinen Platz hat (Kulturgeschichte). Es bleibt derselbe Gegenstand, aber er verändert gewissermaßen sein Gesicht, er zeigt uns auf die unterschiedlichste Art, was er auch ist, bzw. wofür er eine Spur sein kann, die uns auf ganz unterschiedliche Pfade führt.“ Schlicht 2022:20 (Hervorhebung J.P.).

Doch der wichtigste Aspekt bei der Themeneingrenzung sollte sein, das jeweilige Forschungsfeld im wahrsten Sinne des Wortes „abzustecken“, d. h. zu begrenzen. Schließlich steht Ihnen zur Anfertigung Ihrer Arbeit nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung! Wenn Ihr Thema zu umfassend ist, laufen sie Gefahr, sich zeitlich und inhaltlich zu übernehmen. Veranschaulichen wir uns das anhand folgender Übersicht:
Übersicht Themeneingrenzung: Ungeeignetes Thema (zu weit) = Aufklärung; Günstigeres Thema (präzisiert) = Kulturkritik in der Französischen Aufklärung; Eingrenzung über = Geographie: Frankreich, Aspekt: Kulturkritik. Ungeeignetes Thema (zu weit) = Britisches Fernsehen; Günstigeres Thema (präzisiert) = Die Politik von Downton Abbey; Eingrenzung über Serie Downton Abbey (Beispiel), Aspekt: Politik. Ungeeignetes Thema (zu weit) = Die Sprachentwicklung in der Kindheit; Günstigeres Thema (präzisiert) = Entwicklung der Satzbildung im zweiten Lebensjahr; Eingrenzung über = Alter: Zweites Lebensjahr; Aspekt des Spracherwerbs: Satzbildung.
nach Otto Kruse, Lesen und Schreiben (2015: 78)
Themen wie „Aufklärung“ oder „Sprachentwicklung in der Kindheit“ sind schlichtweg zu weit gefasst, als dass sie im Rahmen einer Hausarbeit sinnvoll bearbeitet werden können. Sie stehen eher für ganze Bibliotheken als für einzelne Bücher. Stellen Sie sich Ihre Fragestellung wie den Titel eines Fachbuches zu einem bestimmten Thema vor: „Aufklärung“ und „Britisches Fernsehen“ zeigen lediglich an, in welchem Fachbereich der UB (oder auch einer Buchhandlung) wir etwas zu diesen Themen finden. Unsere Hausarbeit soll (und kann!) nur eines der Bücher sein (manchmal auch nur ein Kapitel oder ein Auszug aus einem Buch), die wir in diesen Bereichen finden und die einen bestimmten Teilaspekt des jeweiligen Themengebiets behandeln. Ein klar eingegrenztes Thema bietet Ihnen die Möglichkeit, einen ganz bestimmten Aspekt konkret zu behandeln und dabei auch in die Tiefe zu gehen. Gleichzeitig können Sie Ihre Arbeit so in einem bestimmten Zeitrahmen (denken Sie an Ihre Abgabefrist…) bearbeiten.
Grundsätzlich ist ein Thema dann sinnvoll eingegrenzt, wenn man es in einer klar umrissenen Frage formulieren kann, aus der sich wiederum eindeutige, gut zu bewältigende Arbeitsschritte ergeben. Dies führt mich zum Thema unseres nächsten Blogbeitrags: Denn um unser Schreibprojekt weiter eingrenzen und unseren Text sinnvoll strukturieren zu können, benötigen wir unbedingt eine möglichst präzise Fragestellung.
Ideen und Unterstützung für die Themensuche
Führen Sie ein Wissenschaftliches Journal, in dem Sie fortlaufend alle Gedanken, Fragen und Themenideen zu Ihren Lehrveranstaltungen notieren. Wenn Sie diese Notizen an Ende des Semesters durchblättern, kann Ihnen das bei der Themensuche helfen.

Tauschen Sie sich mit anderen über Ihre Themenideen aus. Ein Gespräch kann helfen, erste Überlegungen zu konkretisieren. Kommen Sie dazu ins Schreibcafé und sprechen Sie mit den Schreibtutor*innen.

Zusammengefasste Tipps zur Themenfindung finden Sie in unserem Handout zum Thema.

Besuchen Sie unseren Workshop zum Thema und entwickeln Sie dort Ihr eigenes Thema.
Im nächsten Beitrag dieser Serie geht es um die Bedeutung der Fragestellung für Ihre Hausarbeit.
Bildnachweis: Nadine Lordick, Adobe Express
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Janelle Pötzsch
Dr. Janelle Pötzsch gehört zum Schreibzentrum und berät in der "Schreibmaschine" Studierende der Ingenieurwissenschaften zum fachspezifischen Schreiben.

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