Alle, die viel schreiben bzw. schreiben müssen, kennen es: Du starrst auf den Bildschirm und es fällt dir einfach nichts ein, du löscht immer wieder den Satz, den du gerade geschrieben hast, oder du tust alles, um ja nicht schreiben zu müssen. Dass das Schreiben schwerfällt, es nur sehr stockend vorwärts geht oder auch mal gar nicht funktioniert, ist sehr normal. Hier finden Sie einige Anregungen, damit umzugehen.
Worum es in dieser Serie geht
Diese Serie richtet sich an Studierende, die eine Hausarbeit schreiben (wollen). In loser Folge werden wir – die
Mitarbeiter*innen des Schreibzentrums – verschiedene Aufgaben erläutern, die beim Schreiben einer Hausarbeit auf Sie zukommen, und Ihnen Anregungen dazu geben, wie Sie sie konkret bewältigen können. Wir werden uns dabei bemühen deutlich zu machen, was fachübergreifend gilt und was fachspezifisch ist. Sie sollten dennoch prüfen (oder jemanden fragen), ob das, was wir hier sagen, auch so auf Ihr Fach zutrifft.
Von der Komplexität des Schreibens im Allgemeinen …
Insbesondere das wissenschaftliche Schreiben ist ausgesprochen komplex. Als Schreibende*r muss man viele Anforderungen gleichzeitig im Kopf haben, man spricht auch von „juggling constraints“ (Flower/Hayes 1980).

Wenn Sie z. B. einen Satz in Ihrer Hausarbeit schreiben wollen, müssen Sie gleichzeitig darauf achten, wie sich dieser Satz auf den vorherigen bezieht, was nach dem Satz kommen soll, was der Satz zur Beantwortung der Fragestellung beiträgt, wie Sie die Forschungsliteratur sinnvoll einbauen, wie Sie korrekt zitieren, welche Wörter passend sind, wo Sie die Kommas setzen müssen und jede Menge mehr. Ein anderes Bild für die Schwierigkeit beim Schreiben, diese vielen verschiedenen Aspekte zur gleichen Zeit im Blick zu haben, ist der Flaschenhals (bottleneck): das Arbeitsgedächtnis ist der Flaschenhals, durch den eine Vielzahl von Items (hier: Aspekte beim Schreiben) durchfließen soll, der aber nur eine begrenzte Anzahl durchlässt. Wenn dann einige der Aspekte nicht einigermaßen automatisiert bearbeitet werden können, weil man etwa schon etliche Hausarbeiten verfasst hat oder sich in der Kommasetzung sicher fühlt, ist es normal, wenn nichts oder nur wenig aus der Flasche fließt, also das Schreiben stockt.
… über die Schwierigkeiten von Hausarbeiten im Speziellen …
Beim Schreiben von Hausarbeiten, Essays oder Abschlussarbeiten kommt hinzu, dass diese Textsorten und auch die Inhalte, die Themen, über die geschrieben wird, für Studienanfänger*innen weitgehend neu sind. Um so zu schreiben wie Wissenschaftler*innen in Ihrem Fach, dazu muss man etliche Jahre (fach-)wissenschaftliche Texte verfasst haben, denn es geht beim wissenschaftlichen Schreiben nicht nur darum, die Struktur und die Sprache der entsprechenden Textsorten zu kennen, sondern vor allem auch darum, so wie ein*e Fachwissenschaftlicher*in zu denken (und zu handeln), und dies muss man lernen und üben.
… und die mit dem Schreiben verbundenen Gefühle …
Zudem spielen beim Schreiben Gefühle und frühere Erfahrungen mit dem Schreiben eine wichtige Rolle. Wenn z. B. die Hausarbeit davor schlecht beurteilt wurde oder man nicht weiß, was nach der Abschlussarbeit sein wird, kann dies das Schreiben wesentlich behindern. Sich der eigenen Schreibbiographie und der Gefühle beim Schreiben bewusst zu werden, kann dazu beitragen, dass das Schreiben leichter wird.
… zur Erkundung der Ursachen von Schwierigkeiten beim Schreiben …
Allgemein kann es sinnvoll sein, darüber zu reflektieren, warum das Schreiben schwerfällt. Mit Sicherheit wird es nicht die eine Ursache geben, sondern es handelt sich oft um ein Konglomerat von Gründen. Diese können individueller (negative Erfahrungen mit dem Schreiben) oder auch struktureller Natur (mangelnde Übungsanlässe) sein. Sie zu erforschen kann ein erster Schritt sein, Schreibschwierigkeiten zu begegnen.
Im Folgenden finden Sie einige Ideen dazu, was bei Schreibproblemen eine Rolle spielen kann, sie können Anregungen sein, Ihren eigenen Schwierigkeiten auf die Spur zu kommen:
Man will zu viel auf einmal: Wenn man denkt, dass man die Hausarbeit vom ersten Satz an druckreif und im Fluss formuliert, so ist das Scheitern vorprogrammiert. Gerade wenn man noch keine Schreib- und Arbeitsroutinen entwickelt hat, aber auch für routinierte Schreibende ist es herausfordernd bis unmöglich, alles gleichzeitig zu beachten (s. o. bottleneck). Versierte Schreibende vollenden einen Text meist nicht in einem Rutsch, sondern entzerren den Schreibprozess : z. B. indem sie erst eine Stichwortsammlung machen, dann eine Gliederung erstellen , dann eine Rohfassung/einen Entwurf formulieren und schließlich den Text in Überarbeitungsschleifen fertigstellen.
Die Anforderungen sind unklar: Nicht nur, dass die Textsorte Hausarbeit einigermaßen unklar ist (z. B.: Wer sind die Adressat*innen?), dazu kommt, dass man oft nicht weiß, was Dozent*innen eigentlich verlangen. Soll man die Forschungsliteratur zum Thema nur referieren und abwägen oder soll man auch eine eigene Position darlegen? Wie viel sollte man gelesen haben? Muss man wirklich etwas Neues untersuchen? Wenn man nicht weiß, was erwartet wird und die Kriterien der Beurteilung unklar sind, erschwert dies das Schreiben.
Man hat etwas noch nicht verstanden: Oftmals ist es so, dass man glaubt, man wüsste genau, was man schreiben will oder man hat verstanden, was in einem Text steht, und dann gelingt es nicht, wenn man es in eigenen Worten formulieren will. Schreiben ist aber weniger, vorher Gedachtes nur aufzuschreiben, sondern Schreiben ist auch Denken. Indem man z. B. darüber schreibt, was man nicht verstanden hat, kann klarer werden, was man noch einmal nachlesen muss, oder es werden durch das Schreiben neue Zusammenhänge deutlich.
Man hat zu wenig (oder zu viel) gelesen: Da wissenschaftliches Schreiben auf Forschungsliteratur fußt, ist es natürlich notwendig, sich ausreichend ins Thema eingelesen zu haben, damit man etwas dazu schreiben kann. Aber das Gegenteil, viel zu viel und zu lange zu lesen oder genauer nur zu lesen und nicht zu schreiben, kann das Schreiben ebenfalls erschweren. Zum einen, weil man die Hemmschwelle für das Anfangen dadurch erhöht, zum anderen, weil man die eigene Argumentation, die eigene Perspektive in der Fülle der Texte und Positionen anderer, verlieren kann.
Man hat zu hohe Ansprüche: Wenn man beim Schreiben ständig im Kopf hat, dass die Note für den fertigen Text sehr gut werden soll oder man sogar hofft, Dozent*innen zu beindrucken, kann dies das Vorwärtskommen erheblich beinträchtigen. Noch gemeiner, aber sehr verbreitet ist, wenn innere Kritiker*innen ständig das Geschriebene oder auch nur das Gedachte auseinanderpflücken.
Viele Schreibende kennen diese u. ä. Probleme beim Schreiben, insbesondere wenn sie eine neue Textsorte angehen oder in unbekannten Kontexten schreiben. Manchmal kann es schon helfen, sich klarzumachen, dass Schwierigkeiten beim Schreiben ziemlich normal sind und insbesondere zum Schreibenlernen dazu gehören.
… und schließlich zu Ideen zum Umgang mit Schreibschwierigkeiten
Wenn das Schreiben über eine längere Zeit stockt, kann es hilfreich sein, etwas anders zu machen. Bisweilen können ein
neuer Schreibort und eine andere Schreibzeit den Einstieg ins Schreiben erleichtern. Auch die folgenden
Anregungen können Ihnen vielleicht dabei helfen, schaden werden sie mit Sicherheit nicht, also probieren Sie es einfach aus:
Bevor Sie sich an Ihre Arbeit setzen, egal ob Sie lesen oder schreiben wollen, versuchen Sie mit einem 5-minütigen Freewriting anzufangen, d. h. Sie schreiben ca. fünf Minuten lang – am besten mit der Hand – alles in ganzen Sätzen auf, was Ihnen zu dem Thema einfällt, über das Sie schreiben oder zu dem Sie lesen wollen. Versuchen Sie das, was Sie schreiben, nicht zu bewerten, schreiben Sie einfach weiter, ohne den Stift abzusetzen. Nach fünf Minuten können Sie sich das Geschriebene durchlesen und schauen, ob es Sie angeregt hat, ob darin wichtige Gedanken für Ihre Arbeit stecken, ob es Ihnen Ihre weitere Lektüre erleichtert o. Ä. Sie können auch wichtige Gedanken unterstreichen und über diese wiederum in einem Freewriting schreibend nachdenken. Ebenso kann ein Freewriting hilfreich sein, wenn es gerade stockt. Schreiben Sie fünf bis zehn Minuten genau darüber, also was Ihnen durch den Kopf geht, wenn Sie an die Schwierigkeiten denken.
Oftmals hilft es, den Schreibprozess in unterschiedliche Teilschritte zu zerlegen (s.o.). Hilfreich ist auf jeden Fall, erst einen rohen Entwurf zu schreiben, bei dem Sie sich nur auf die Inhalte konzentrieren, und dann diesen Text sukzessive zu überarbeiten. Denn gleichzeitig die eigenen Ideen zu verfolgen und diese kritisch zu betrachten ist schwierig. Machen Sie sich klar, dass gute Texte dadurch entstehen, dass sie – mehrfach – überarbeitet werden, die erste Fassung darf unzureichend und schlecht sein, sie ist ein Anfang.
Das ist einfacher gesagt als getan und dennoch absolut grundlegend. Als Student*in, also als Lernende*r, muss man Fehler machen, man muss etwas ausprobieren können, man muss üben. Was für das Studium insgesamt gilt, gilt ebenso für das Schreiben an der Universität. Nutzen Sie Möglichkeiten das Schreiben zu üben.
Nutzen Sie das Schreiben bereits beim Lesen der Forschungsliteratur, z. B. indem Sie schreibend darüber reflektieren, was ein Text für Ihr Thema bedeutet. Schreiben ist nicht nur ein ausgezeichnetes Denkinstrument, sondern auch ein gutes Mittel, um Fachinhalte und Fachdenkweisen zu verstehen. Sie können z. B. nach jeder Seminarsitzung fünf Minuten darüber schreiben, was Sie in der Sitzung Neues gelernt haben oder was Ihnen noch nicht klar ist.
Für unbekannte oder gar keine Leser*innen zu schreiben kann sehr unbefriedigend sein. Bitten Sie Freundinnen oder Kommiliton*innen Ihre Textentwürfe zu lesen oder lesen Sie ihnen etwas daraus vor und bitten sie darum, Ihnen Rückmeldungen zu geben. Fragen Sie gezielt auch danach, was genau ihnen an Ihren Texten gefällt, denn das ist ebenso wichtig für das Schreibenlernen, wie zu wissen, was vielleicht noch nicht gelungen ist. Fragen Sie ebenso bei Ihren Dozent*innen nach, ob sie Ihnen konkretes Feedback auf Textausschnitte geben können, und besprechen Sie das Feedback mit ihnen.
Wissenschaftlich Schreiben zu lernen ist schwer, das können Ihnen alle bestätigen, die damit zu tun haben oder hatten. Vielleicht kann sich sogar eine*r Ihrer Dozent*innen daran erinnern, wie schwer es ihr*ihm gefallen ist und was ihr*ihm dann geholfen hat. Fragen Sie auch Kommiliton*innen, wie sie beim Schreiben vorgehen, was sie schwierig finden usw. Und sprechen Sie ebenso über das, worüber Sie schreiben, wie Sie vorgehen etc. Manchmal kommt man beim Sprechen über Schwierigkeiten selbst auf Lösungen.
Wie wir Sie unterstützen, wenn das Schreiben einmal stockt:
- In einem individuellen Beratungsgespräch können Sie herausfinden, warum es gerade schwierig ist und wie Sie wieder ins Schreiben kommen können.
- In unseren Workshops bekommen Sie nicht nur Anregungen zum Schreiben, sondern es gibt auch vielfältige Übungsanlässe und Austauschmöglichkeiten.
- Wenn Sie einmal einen anderen Schreibort ausprobieren wollen, kommen Sie doch ins Schreibcafé!
Hayes, J. R., & Flower, L. S. (1980). Identifying the Organization of Writing Processes. In L. W. Gregg & E. R. Steinberg (Eds.), Cognitive Processes in Writing. An Interdisciplinary Approach (S. 3–30). Lawrence Erlbaum.
In unserer Serie "Hausarbeiten schreiben" sind schon einige Beiträge erschienen. Lesen Sie gerne rein:
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