Von Studis für Studis: technische Hintergründe und praktische Anwendung von KI im Studium

Im Hintergrund erstreckt sich die Oberfläche eines Computerchips. Im Vordergrund ist die Karrikatur eines Katzengesichts und Pfotenabdrücke zu sehen.

ChatGPT, DALL·E, Midjourney: KI-Anwendungen gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Was technisch dahinter steckt und wie sich solche Tools kreativ an der Uni einsetzen lassen, das erklärt Sarah Becker im Interview. Sie ist studentische Mitarbeiterin in unserem eTeam Digitalisierung und hat im vergangenen Wintersemester 2023/24 zwei Workshops zu generativer Künstlicher Intelligenz für Studierende angeboten.

Zum Hintergrund: Unser studentisches eTeam Digitalisierung bietet Beratung und Hands-on-Unterstützung rund um E-Learning und digitale Tools fürs Studium und die Lehre. Die Angebote richten sich an Lehrende und Studierende der RUB.
Anika Kneiphoff (AK): Sarah, du bist als studentische Mitarbeiterin Teil des eTeam Digitalisierung. Kannst du sagen, wann ihr angefangen habt, euch mit dem Thema Generative Künstliche Intelligenz zu beschäftigen und warum?
Sarah Becker (SB): Klar! Ich persönlich hatte zuerst tiefergehend mit KI Kontakt, als ich im Sommersemester 2021 an einem Seminar zur Einführung in die Philosophie der KI-Forschung teilnahm. Thematisiert wurden Themen wie die Dartmouth Konferenz von 1956 (Geburtsstunde von KI als Forschungsfeld), der Turing Test, „Good Old-Fashioned AI“ (GOFAI), neuronale Netze, maschinelles Lernen und automatisierte Bilderkennung. Außerdem haben wir uns auch mit GPT 3 beschäftigt, dem Vorgängermodell von ChatGPT (GPT 3.5).
Die Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 markierte dann einen Wendepunkt in der Wahrnehmung künstlicher Intelligenz (KI) durch die breite Öffentlichkeit und auch für uns an der Uni.
KI-Modelle sind ja beispielsweise in der Bilderkennung oder beim autonomen Fahren schon seit längerem verbreitet. Aber dass KI nun in eine als ausschließlich menschlich gesehene Domäne, das Schreiben und die Produktion von komplexen Inhalten, eindringt, das hat schon Aufsehen erregt. Schließlich dreht sich im Studium viel ums Schreiben und Texte und wir vom eTeam Digi sind ja auch Studierende.
Die Fähigkeit von ChatGPT, Texte in natürlicher Sprache zu verfassen, die von menschlichen Erzeugnissen kaum zu unterscheiden sind, löste sicherlich bei vielen Menschen eine Mischung aus Bewunderung und Erstaunen, aber auch Besorgnis und Schock aus. Die Vorstellung, dass eine Maschine nicht nur Daten verarbeiten, sondern auch kreativen, informativen und überzeugenden Inhalt erstellen kann, erschien einigen vielleicht fast wie „Magie“. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt durch die scheinbare Allwissenheit von ChatGPT, ein Resultat der umfangreichen Daten, auf denen es trainiert wurde, und seiner Fähigkeit, Informationen aus diesen Daten zu extrahieren und in kohärenter, oft überzeugender Weise zu präsentieren.
Ein Spoiler bereits an dieser Stelle: ChatGPT ist kein universalgelehrtes Wissensmodell, sondern ein reines Wahrscheinlichkeitsmodell.
AK: Also habt ihr euch im eTeam Digi entschieden, auch Workshops zu den technischen Hintergründen von z. B. ChatGPT anzubieten, damit interessierte Studierende sich näher mit KI beschäftigen können?
SB: Ja, wir wollten an andere Studierende vermitteln, was die KI überhaupt tut. Das Gefühl des Unbegreiflichen, das viele Menschen in Bezug auf KI empfinden, rührt oftmals von einer Kombination aus mangelndem Verständnis darüber, wie KI-Systeme tatsächlich arbeiten, und der Faszination für ihre scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten her.
Möchte man KI „entzaubern“, muss man daher zumindest oberflächlich verstehen, welche Mechanismen dahinterstecken. Dies ermöglicht es, die Anwendungsbereiche, Potenziale und Grenzen von KI-Tools realistischer einzuschätzen.
Aus diesem Grund haben wir vom eTeam Digitalisierung im vergangenen Semester zum ersten Mal den Workshop „ChatGPT – Die technischen Hintergründe der generativen KI“ für Studierende an der RUB angeboten.
AK: Worum ging es denn in dem Workshop und kannst du uns ein bisschen was zu den technischen Hintergründen erklären?
SB: Wie der Titel bereits verrät, haben wir uns in diesem Workshop damit beschäftigt, welche technischen Mechanismen und Strukturen hinter KI stecken, wobei der Fokus auf generativer KI lag. Allerdings kann man sich nicht mit generativer KI wie ChatGPT beschäftigen, ohne ein grundlegendes Verständnis dessen, was KI ist und was nicht, zu haben. In der Regel sind KI-Modelle nämlich Algorithmen, die mit Daten trainiert wurden.
Ein zentraler Bestandteil vieler KI-Modelle ist das maschinelle Lernen, einschließlich tiefer neuronaler Netze, die aus vielen Schichten bestehen und es ermöglichen, sehr komplexe Muster in großen Datenmengen zu erkennen. Diese Techniken sind die Grundlage für Fortschritte in der Bild- und Spracherkennung, der natürlichen Sprachverarbeitung sowie anderen Bereichen. Ich habe die teilnehmenden Studis in diesem Workshop deshalb zunächst über neuronale Netze, Deep Learning sowie zwei Trainingsarten des maschinellen Lernens informiert, bevor wir uns anschließend explizit mit generativer KI beschäftigt haben.
AK: Und hierzu hast du uns jetzt auch dieses Schaubild mitgebracht?
Darstellung der Anwendung wie man eine KI trainiert. Eingabedaten bestehen aus Bildern von Katzen, anhand bestimmter Merkmale der Katzen speichert die KI Informationen ab. Erhält KI unbekannte Daten, z.B. andere Bilder von Katzen, kann sie diese anhand der gespeicherten Informationen die Katze wiedererkennen.
SB: Genau, daran habe ich im Workshop vereinfacht erklärt, wie die KI lernt bzw. trainiert wird. Dargestellt ist ein überwachtes (supervised) Training mittels der Bilderkennung von Katzen. Das KI-Modell wird mit Bildern von generischen Katzen trainiert, die mit dem Label „Katze“ versehen sind. Wird dem Modell dann ein Bild einer Katze ohne Label übermittelt, gleicht es das mit den gelernten Merkmalen ab und kann aufgrund einer Wahrscheinlichkeit eine Vorhersage treffen, dass es sich um eine Katze handelt, wenn die Merkmale übereinstimmen. Das ist Statistik.
AK: Und das reicht für KI schon, um Bilder oder Texte neu zu generieren?
SB: Nein. Generative KI arbeitet zusätzlich mit einer sogenannten Transformer-Architektur. Die Transformer-Architektur, die 2017 durch das Paper „Attention is All You Need“ von Vaswani et al. eingeführt wurde, markiert einen signifikanten Wendepunkt in der Entwicklung von KI, insbesondere in der Verarbeitung natürlicher Sprache. Sie ist für den Erfolg und die Funktionsweise generativer KI-Modelle wie ChatGPT von grundlegender Bedeutung. Tatsächlich steckt der Transformer bereits im Namen „ChatGPT“, denn das GPT steht für Generative Pre-Trained Transformer.
Deshalb haben wir uns im Workshop Schritt für Schritt durch das Modell der Transformer-Architektur gearbeitet, durch Tokenisierung und Vektorberechnung, Positional Encodings sowie durch die zentralen Self-Attention-Mechanismen. Am Ende des Workshops hatten dann alle verstanden, dass (stark vereinfacht) ein Transformer Worte in Zahlen (Vektoren) umwandelt und mit diesen dann berechnet, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Wort auf das nächste folgt. Deshalb handelt es sich bei ChatGPT auch um ein mathematisches Wahrscheinlichkeitsmodell und nicht um ein Wissensmodell.
AK: Das geht schon ganz schön in die Tiefe der Technik und Theorie. Habt ihr denn auch praktisch mit generativer KI gearbeitet?
SB:Auf jeden Fall! Wir haben im eTeam Digitalisierung viel selbst ausprobiert und dann auch noch einen sehr praxisorientierten Workshop für Studierende angeboten. In „Kreativ mit KI - Ideen für Drehbuch- und Unterrichtsgestaltung“ ging es dann nicht mehr um technische Grundlagen, sondern um den konkreten Einsatz von KI. Wir haben uns unterschiedliche kreative Anwendungsbereiche angeschaut, bei denen KI-Tools unterstützen können. Von der Konzeption von Drehbüchern über die Gestaltung von Videos und Präsentationen bis hin zur Unterrichtsgestaltung für z. B. Lehramtsstudierende, wurden verschiedene Anwendungsmöglichkeiten und KI-Tools vorgestellt, um den kreativen Prozess zu erleichtern und zu bereichern. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Einführung von Prompt-Techniken, um präzise und nützliche Antworten von KI-Modellen zu erhalten. Die Teilnehmenden lernten, wie man gezielte Fragen und Anweisungen (Prompts) zur Kommunikation mit KI einsetzt.
AK: Das klingt spannend! Habt ihr die Tools auch vorgeführt?
SB: Ja, anhand von praktischen Beispielen und Übungen haben wir die Möglichkeiten von KI-Tools in der Videoproduktion, vom Storytelling bis hin zur Postproduktion, aufgezeigt. Für Lehramtsstudierende oder z. B. studentisch Lehrende (Tutor*innen, Übungsgruppenleitende oder ähnliches) bot der Workshop wertvolle Einblicke in die Nutzung von KI-Tools zur Erleichterung des Unterrichtsalltags, indem sie beispielsweise bei der Planung von Veranstaltungseinheiten oder der Erstellung von Unterrichtsmaterialien unterstützen.
AK: Und möchtest du zum Schluss anderen Studierenden noch etwas zum Thema mit auf den Weg geben?
SB: Mir ist es wichtig, KI ein Stück weit durch technisches Verständnis und das praktische Erleben der Anwendung zu entzaubern und zu zeigen, dass sie weit entfernt von „Magie“ ist. Wenn wir die Funktionsweise transparent machen, können KI-Tools von einem scheinbar magischen Phänomen zu einem verständlichen und kontrollierbaren Werkzeug werden, das, wenn es bewusst und kreativ eingesetzt wird, vielfältige Möglichkeiten bietet. Und wer die Workshops verpasst hat, keine Sorge, im kommenden Sommersemester gibt es wieder ein tolles Workshop-Programm aus dem eTeam Digitalisierung von Studierenden für Studierende. Eine Kollegin aus dem ZfW und ich werden die Workshops zu den technischen Grundlagen von KI sowie Kreativ mit KI erneut anbieten. Zudem wird es einen neuen Workshop geben, „Lehramtsstudierende aufgepasst: Wir präsentieren euch KI-Tools für den Schuleinsatz“, der speziell auf die Anforderungen und Möglichkeiten im Lehrberuf eingeht. Dazu möchte ich herzlich einladen!
Die nächsten Themen und Termine

„ChatGPT – Die technischen Hintergründe der generativen KI“:
26.04. | 12:00-13:30 Uhr (für Lehrende und Studierende)


„Kreativ mit KI – Ideen für Drehbuch-, Präsentations- und Videogestaltung“:
03.05.24 | 12:00-13:30 Uhr (für Lehrende und Studierende)


Übrigens: Das eTeam Digitalisierung bietet auch noch viele weitere Workshops an.
Unsere Interviewpartnerin:
Sarah BeckerSarah Becker studiert Philosophie (M.A.) an der RUB. Ihr Studienschwerpunkt ist Technikethik, insbesondere mit Bezug auf Bildungstechnologien wie Learning Analytics. Sie ist Teil des studentischen eTeams Digitalisierung am ZfW. Im eTeam Digitalisierung berät und unterstützt sie Lehrende bei der Umsetzung digitaler Lehrkonzepte und gibt regelmäßig Workshops für Studierende der RUB zu den Themen Videogestaltung und Künstliche Intelligenz. Ihre Schwerpunkte umfassen u. a. Gamification, Lehr-Lernvideo-Konzeption und KI-Tools.

Graphik für überwachtes Lernen selbst erstellt aus folgenden Quellen:

Bild von pch.vector auf Freepik

An example of a neural network containing 1 input (dense) fully connected layer, a fully connected hidden layer and a fully connected output layer. Source By Glosser.ca -Own work, Derivative of File:Artificial neural network.svg, CC BY-SA 3.0

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Anika Kneiphoff
Anika Kneiphoff ist Projektleiterin des eTeams Digitalisierung und koordiniert weitere studentische Projekte im Bereich eLearning des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik.

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