Fragen zu Referaten, Literaturhinweise, Nachteilsausgleich oder Bitten um Fristverlängerungen - dies sind nur beispielhafte Anliegen, mit denen Studierende auf Sie zukommen. Dabei sind Orte und Zeitpunkte ebenso vielfältig: Im Büro, nach der Vorlesung im Hörsaal oder von Zoom-Kachel zu Zoom-Kachel. In Beratungsgesprächen sind Sie als Lehrperson gefordert, flexibel, zugewandt und strukturiert zu agieren. Hier erhalten Sie Anregungen für die Gestaltung des nächsten Beratungsgesprächs.
Mehr zum Thema Beratung von Studierenden finden Sie im LEHRELADEN - unser Downloadcenter für inspirierte Lehre an der RUB.
Einblicke in die systemische Beratung
Haben Sie schon mal von systemischer Beratung gehört? Dieser Beratungsansatz sieht die ratsuchende Person immer im Kontext ihres Umfelds und weiterer Personen, die sie umgeben. Wichtig ist vor allem, dass die Beratung am Auftrag ausgerichtet ist. Dreh- und Angelpunkt ist dabei genau zu erfassen, worum es geht, also was das Ziel der Beratung für die ratsuchende Person sein soll. Mit einem klaren Ziel vor Augen werden Lösungen erarbeitet, die an den Ressourcen der ratsuchenden Person ausgerichtet sind.
Der systemische Blick richtet unter anderem auf
die Ressourcen, Stärken und Fähigkeiten,
die Lösungen und die Zukunft,
die Vervielfältigung von Handlungsmöglichkeiten,
die Autonomie und den Eigensinn,
die Kooperationsbereitschaft,
aus: Herwig-Lempp, S. 52
Mit diesem systemischen Blick rückt die Studentin oder der Student mit den eigenen Ressourcen, Stärken und Fähigkeiten in den Mittelpunkt. Was bedeutet diese Sicht für Sie als Berater*in?
Sehen Sie diesen Beratungsansatz gern auch als Erleichterung an: Beratung bedeutet, dass Sie nicht ausschließlich die passende Antwort parat haben müssen. Natürlich ist es vom Anliegen abhängig, wie Sie in Beratungssituationen agieren. Manchmal reicht ein kurzer Verweis oder eine kurze Info zu einer Frist aus, beispielsweise bei der Klärung organisatorischer Fragen. Geht es jedoch um das Zeitmanagement, wie bei der Strukturierung der Zeit bis zur Abgabe einer Hausarbeit, so sind Sie in der Beratung stärker in der Rolle des Lernbegleiters oder der Lernbegleiterin gefragt. Dann gilt es, Lösungswege zu eröffnen, die an den Ressourcen der ratsuchenden Person ausgerichtet sind.
„Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird!“
Heinz von Foerster, Biokybernetiker
Eine Checkliste zur Klärung des Auftrags
Ich ertappe mich manchmal in Beratungssituationen dabei, beim Zuhören gedanklich schon nach der aus meiner Sicht bestmöglichen Lösung zu suchen. Ist es ein Ausdruck von Kompetenz, wenn ich direkt mit meiner klugen Antwort auf das eingebrachte Anliegen reagiere? Das bezweifle ich. Denn während ich mich in meinen Gedanken verstricke, könnte ich versäumen, dem Anliegen meines Gegenübers genauer auf den Grund zu gehen.
An dieser Stelle ist es ratsam, sich stets im ersten Schritt Zeit fürs genaue Abklopfen des Anliegens zu nehmen. Denn erst wenn das Ziel klar definiert ist, kann die Beratung weiter Fahrt aufnehmen - ausgerichtet an den Ressourcen der Person und weniger an meinem Kompetenzerleben. Doch was unterstützt Sie bei der Klärung des Auftrags?
Was zur Klärung des Auftrags beiträgt:
nachfragen, mit eigenen Worten Gehörtes wiedergeben (paraphrasieren), aktives Zuhören (durch Nicken, Blickkontakt, verbale und nonverbale Reaktionen)
Von wem? (Bin ich überhaupt die richtige Person für das Anliegen?)
spezifisch – messbar – attraktiv – realistisch – terminiert
Handlungsmöglichkeiten vervielfältigen - aber wie?
Kommen wir nach der Klärung des Auftrags zum angekündigten zweiten Schritt, der darin besteht, die Handlungsmöglichkeiten der ratsuchenden Person zu vervielfältigen. Das klingt zunächst ziemlich anspruchsvoll. Wie können Sie dazu beitragen, dass die Studentin oder der Student eigene Möglichkeiten fürs Erreichen des Ziels erkennt? Hilfreich sind Fragetechniken und wenn Sie sich vor Augen führen, welche Formulierungen zum Nachdenken über eigene Fähigkeiten und Arbeitsweisen beitragen.
Kriterien für eindeutig definierte Ziele - beispielhafte Formulierungen
Kriterium |
Schlüsselwort |
Musterfrage |
positiv |
„statt dessen“ |
„Was werden Sie statt dessen tun?“ |
prozesshaft |
„Wie“ |
„Wie werden Sie das tun?“ |
Hier und Jetzt |
Auf dem Weg sein |
„Wenn Sie nach dem Gespräch auf dem Weg zu Ihrem Ziel sind, was werden Sie (anders) machen?“ |
so spezifisch wie möglich |
„spezifisch“ |
„Wie werden Sie das im Einzelnen tun?“ |
im Kontrollbereich der Studentin/des Studenten |
„Sie“ |
„Über welche Möglichkeiten verfügen Sie, um das Ziel zu erreichen?“ |
in der Sprache der Studentin/des Studenten |
Worte aufgreifen |
|
aus: von Schlippe/Schweitzer, S. 211
„Was sollte auf keinen Fall passieren?“ – hilfreiche Fragetechniken auf einen Blick
Haben Sie in einem Ihrer letzten Beratungsgespräche schon mal diese Frage gestellt? Vielleicht kommt sie zunächst überraschend ums Eck. Ich nutze diese Frage hier als Einstieg, um Ihnen verschiedene Fragetechniken vorzustellen. Dabei gibt es kein Ranking der geeignetsten Frageform.
Anlass, Situation und Thema eines Beratungsgesprächs sind ausschlaggebend dafür, welche Fragen sinnvoll sind. Und jede Fragetechnik hat ihren Wert. Die wohl bekanntesten und gebräuchlichsten Fragetechniken sind schließende und öffnende Fragen: „Haben Sie die Aufgabe in Moodle bereits bearbeitet?“ oder „Wie ist Ihre Zeitplanung nächstes Semester?“. Lassen Sie sich für Ihr nächstes Beratungsgespräch gern von den folgenden Fragtechniken inspirieren.
Die Mischung aus Fragetechniken macht`s
Beschreibung
- die nur mit ja oder nein beantwortet werden können
- die alternative Antworten vorgeben, zwischen denen der/die Befragte wählen kann
Mehrwert
Checklistenartig ist es schnell möglich, Eckdaten festzuhalten
Beschreibung
- die mit „Wie“, „Was“ oder „Wozu“ beginnen
Mehrwert
Als Berater*in gebe ich die Verantwortung und die eigene inhaltliche Steuerung ab. Ich gebe Raum für den Inhalt, muss mich dann aber auch auf das Gesagte einlassen und mich von meinen möglichen Annahmen (über Verlauf usw.) lösen.
Beschreibung
- die dazu anregen, sich in die Lage einer weiteren beteiligten Person zu versetzen/Perspektivwechsel schaffen: „Was denken Sie, was Ihre Kommilitonin antworten würde, wenn ich sie frage, wie die gemeinsame Vorbereitung auf das Referat geklappt hat?“
Mehrwert
Thinking out of the Box: Ich betrachte eine Situation mit anderen Augen, gewinne einen anderen Blick auf die Sache.
Beschreibung
- „Stellen Sie sich vor, dass Sie die Hausarbeit mit einem guten Ergebnis abgeschlossen haben. Was haben Sie dafür eingebracht?“
- Wichtig ist, das, was nach dem Wunder geschieht, genau zu erfragen: „Was würden Sie danach als erstes anders machen?“
Mehrwert
Die Schwere eines Anliegens wird für den Moment genommen, da ein gutes Ergebnis vorweggenommen wird und der Blick auf Fertigkeiten gelenkt wird, derer sich die/der Ratsuchende bewusst machen kann. Diese Frage ermöglicht ein unbedrohliches Probehandeln.
Beschreibung
- Der/die Ratsuchende soll sich bzgl. des Anliegens auf einer Skala verorten.
- Ihr Ziel ist es, die Schritte für die Planung Ihrer Hausarbeit festzulegen:
„Auf einer Skala von 1 (noch nicht angefangen) bis 10 (fertiger Maßnahmeplan): Wo stehen Sie gerade? Was müssen oder können Sie tun, um auf der Skala eine Markierung höher zu kommen?“
Mehrwert
Der nächste kleine Schritt zur Erreichung des Ziels wird benannt.
Beschreibung
- Was sollte auf keinen Fall passieren?
- Wozu nicht? Wann nicht mehr?
Mehrwert
Manchmal kann die Umkehrung der Sache Leichtigkeit geben, indem mit Humor auf die Sache geschaut wird, nach dem Motto: „So hab ich die Sache noch nicht betrachtet“.
Statt sich festzubeißen an einer Frage kann deren Umkehrung schneller zu Reaktionen führen, getreu dem Motto: „Na, ist doch klar, dass xy nicht passieren soll.“ Dann muss die Antwort noch umgekehrt werden, um eine Lösung zu erzielen. Die Umkehrfrage trägt zu einer anderen Betrachtung der Sache bei (Perspektivwechsel).
Beschreibung
- Wie oft (wie lange, wann, wo) ist das Problem nicht aufgetreten?
- Was haben Sie in dieser Zeit anders gemacht?
- Wie könnten Sie mehr von dem machen, was in Nicht-Problem-Zeiten gemacht haben?
Mehrwert
Eigene Stärken werden aufgezeigt als Bestärkung fürs eigene Tun.
eigene Darstellung, Inhalte aus: von Schlippe/Schweitzer, S. 137 ff.
Angeklickt und weitergelesen
Materialien aus dem ZfW zum Betreuen und Beraten Studierender
Herwig-Lempp, Johannes: Ressourcenorientierte Teamarbeit. Systemische Praxis der kollegialen Beratung. Ein Lern- und Übungsbuch. Vandenhoeck & Ruprecht. 3. Auflage. 2012.
von Schlippe, Arist/ Schweitzer, Jochen: Lehrbuch der systemischen Beratung und Therapie. Vandenhoeck & Ruprecht. 10. Auflage. 2007.
Bildnachweis: pexels |
SHVETS production