Mich interessiert der hintere Teil des Geländes: Hier stehen beispielsweise Rechenzentren, in denen Daten von Microsofts Cloud-Dienst Azure gespeichert werden. Ausgeschildert ist das nicht: Hinter dezenten Erdwällen und hohen Zäunen sieht man die oberen Enden großer fensterloser Gebäude. Die Einfahrten sind gut gesichert und überwacht, die Beschilderung ist kryptisch. Ein Eingangsschild „Unit 75“ – bin ich hier bei Microsoft?
Ich verlasse das Gelände auf der anderen Seite. Hier verlaufen große Straßen, und hier ist die Sicht freier. Mehrere Großrechenzentren stehen im Gelände. Ich nehme eine andere Einfahrt. Rechts ein großer Kasten, links ein großer Kasten. Einer brummt wie ein riesiger Kühlschrank. Gesicherte Eingänge, Zäune und Überwachungskameras. Ein Umspannwerk. Rechts ein weiterer Kasten. Am Ende des Wegs ein kleines Schild: „Google“. Und ein Papier mit dem Hinweis, dass alles, was auf diesem Gelände geschieht, vertraulich ist.
Foto: Peter Salden
Ich drehe um. Menschen sehe ich auf meiner Fahrt weiterhin fast keine. Ich muss an die Freude zu Hause in NRW denken, wo Microsoft im Rheinischen Revier ebenfalls
Großrechenzentren bauen möchte . Ein Jobwunder scheint das nicht zu werden.
Was man in dieser Gegend sieht: Hier stehen nicht nur Neubauten, hier wird auch weiter gebaut. Kein Wunder, denn der Bedarf nach Rechenleistung wächst – beispielsweise durch den Streaming-Boom und aufgrund von Künstlicher Intelligenz. Die Data Center-Branche expandiert, was gerade in Irland spürbar ist. Der
Netzbetreiber Eirgrid schätzt , dass bis zum Jahr 2028 etwa 29% des irlandweiten Stromverbrauchs auf Großverbraucher – insb. Data Centers – entfallen wird.
Foto: Peter Salden
Woher soll der nötige Strom kommen? In den USA diskutiert die Branche sogar über die gezielte
Konstruktion kleiner Atomreaktoren. Die IT-Konzerne erschließen aber auch nachhaltige Quellen, investieren beispielsweise in Windparks. Als wie „grün“ ein Rechenzentrum gilt, entscheidet sich an der Herkunft seiner Energie und auch daran, was mit der Abwärme aus dem Inneren passiert. Denn diese kann entweder die Umgebung erhitzen – das wäre schlecht – oder beispielsweise in ein Fernwärmesystem eingehen. Ein ökologischer Fußabdruck bleibt so oder so.
Irische Umweltschützer kritisieren, dass die angestrebte Klimaneutralität ihres Landes in weite Ferne rücke, da der steigende Strombedarf das Auslaufen fossiler Energien verhindere. Naturschutzorganisationen versuchen deswegen teils, den Bau neuer Großrechenzentren
durch Klagen zu stoppen. Gerade auch angesichts des Aufkommens generativer KI wird
dieser Konflikt wohl noch an Aktualität gewinnen.
Foto: Peter Salden
Langsam setzt die Dämmerung ein. Es war für mich gut, diesen Ort einmal gesehen zu haben. Die Cloud ist also nicht im Himmel, sondern steht ziemlich massiv auf dem irischen Boden. Gut möglich, dass hier auch einige meiner Daten physisch verankert sind.
In der Mitte des Grange Castle Business Parks steht eine kleine Schlossruine, die schaue ich mir nun auch noch an. Die Umgebung der Ruine ist perfekt aufpoliert, aber alle Fenster sind leer oder verrammelt. Menschen sind auch hier nicht, nur Krähen kreisen. Über die Bäume schauen die Dächer einiger Rechenzentren, und natürlich beobachtet mich eine Kamera. Der perfekte Ort zur Reflexion über Digitalisierung.
Und was hat das mit uns zu tun?
Im ZfW beschäftigen wir uns intensiv mit Digitalisierungsthemen – derzeit besonders viel mit Generativer Künstlicher Intelligenz. Wir arbeiten derzeit daran, ob und wie für die RUB kommerzielle KI-Dienste (wie ChatGPT) institutionell nutzbar sein sollen, und auch daran, ob Hochschulen unabhängig von Großkonzernen selbst KI-Modelle betreiben können. Diese Abwägungen können aus vielen Perspektiven erfolgen. Dazu gehört beispielsweise: Wo werden die Daten eigentlich verarbeitet? Welche Umweltkosten hat der Einsatz dieser Dienste? Sicher haben wir alle darüber schon einiges gehört und gelesen. In Irland wird allerdings manches sichtbar, was sonst eher der eigenen Vorstellung überlassen ist.
Wie der Boom der Rechenzentren Irlands Stromnetz gefährdet | Heise online
Was Datenspeicher und Künstliche Intelligenz für Klima und Stromversorgung bedeuten | ZDF
KI-Sprachmodelle an Hochschulen: auf dem Weg zu strukturellen Lösungen in NRW und an der RUB | ZfW-Blog
Nachhaltige Dienstreise: ein Selbstversuch von Bochum nach Cork | ZfW-Blog