Ein Arm greift nach bzw. hält sich an der Quersprosse einer Holzleiter.

Anhand realer Probleme lernen? Wie soll das denn funktionieren?

Was könnte spannender sein, als anhand realer Probleme zu lernen und direkt Theorie in der Praxis anzuwenden? An Universitäten war diese Art zu lernen lange nicht selbstverständlich, wobei die frühere Ausrichtung an reiner Theorie sicher inzwischen nur noch ein Klischee ist. In vielen Studiengängen spielen tatsächlich existierende Fälle im Studium schon eine große Rolle. Gesammelt werden solche Lehrformen unter dem Schlagwort des Challenge-based Learning (CBL).

Bearbeitung existierender Probleme in allen Fächern

Die Grundidee von CBL ist die Bearbeitung realer Probleme durch die Studierenden im Rahmen einer Lehrveranstaltung. Grundsätzlich ist das in allen Studiengängen möglich, wobei diese Art der Lehre in ingenieurswissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Fächern vielleicht leichter vorstellbar ist als in anderen. Aber alle Fächer haben eine praktische Seite und im späteren Berufsleben werden alle Absolvent*innen mit realen Herausforderungen konfrontiert werden. Wieso das also nicht im geschützten Rahmen einer Lehrveranstaltung gemeinsam trainieren? Beispiele für Challenge-based Learning in verschiedenen Fakultäten finden Sie in den Lernmustern.
Reale Person steht vor dem Eingang eines mt Bleistift gezeichneten Labyrinths.
Eine Veranstaltung nach der Idee des CBL basiert auf einer tatsächlich existierenden Problemstellung, die von einem/einer Praxispartner*in, beispielsweise einem Verein, einem Unternehmen oder einer anderen Institution, in die Veranstaltung gebracht wird. Dabei reicht das Spektrum von nachhaltigen Baustoffen in der Architektur über Herausforderungen in der Patientenfürsorge in der Medizin zur Öffentlichkeitsarbeit von Nichtregierungsorganisationen. Wichtig ist, dass das allgemeine Thema der Challenge, sowie ihr Umfang und andere Rahmenbedingungen vor Beginn der Lehrveranstaltung zwischen Lehrperson(en) und Praxispartner*in geklärt sind und transparent mit den Studierenden kommuniziert werden können. Auf Basis dieser Informationen erarbeiten die Studierenden dann gemeinsam mit den Praxispartner*innen die genaue Fragestellung mit der sich die Studierenden in der Lehrveranstaltung beschäftigen werden. Im weiteren Verlauf der Veranstaltung begleiten die Praxispartner*innen die Studierenden und stehen für Gespräche zur Verfügung.

Vorteile von Challenge-based Learning in Lehrveranstaltungen

Aus didaktischer Sicht haben Lehrveranstaltungen im CBL-Format vor allem zwei Vorteile:
Zum einen orientieren sich CBL-Formate am Erwerb und der Stärkung studentischer Kompetenzen. Dazu gehören natürlich die Fachkompetenzen der jeweiligen Fächer, aber vor allem auch Sozial-, Selbst- und Methodenkompetenzen wie Kooperation, Planung und Kommunikation. Da die Studierenden die Challenge vor allem selbstgesteuert in Gruppen bearbeiten und die Lehrperson primär unterstützend auftritt, müssen die Studierenden im Rahmen der Veranstaltung diese Kompetenzen ausbauen, um Lösungen für die Challenge zu entwickeln. Sie kommen nicht darum herum.

Der zweite Vorteil von CBL-Formaten ist die mögliche Beschäftigung der Studierenden mit aktuellen, globalen Problemstellungen wie Klimawandel und Nachhaltigkeit, demographischem Wandel, Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz - heruntergebrochen auf die lokale Ebene und die praktische Anwendung. Universitäten bereiten die Studierenden auf die zukünftigen Herausforderungen der Gesellschaft vor – und zwar nicht nur theoretisch, sondern auch in der praktischen Anwendung. Die Bearbeitung realer Herausforderungen im Studium kann dazu beitragen und es den Studierenden ermöglichen Selbstwirksamkeit zu erleben. die Begleitung und Rahmung ihrer Arbeit verhindert Gefühle der Überforderung.
Wird CBL mit heterogen zusammengestellten, interdisziplinären Gruppen umgesetzt, steigert das diese beiden Aspekte zusätzlich, denn auch in der späteren Berufspraxis und bei der Bearbeitung hochkomplexer gesellschaftlicher Themen werden die Studierenden in interdisziplinären Teams arbeiten.
Sind Sie an zusätzlichen Informationen, Beispielen und der praktischen Umsetzung von Challenge-based Learning interessiert?
Aktuell gibt es eine Veranstaltung zum CBL, die von den beiden Autor*innen des LEHRELADEN-Beitrags gehalten wird. Die halbtätige Veranstaltung findet am 30. August 2024 (9 bis 13 Uhr) statt und ist Teil des hochschuldidaktischen Qualifizierungsprogramms. Anmelden können Sie sich bis zum 09.08.2024 im Fortbildungsportal. Vielleicht ist CBL ja etwas für eine Ihrer Lehrveranstaltungen im kommenden Wintersemester.

Herausforderungen: Kommunikation, Offenheit und Flexibilität

Die Arbeit an realen Problemen kann für die Studierenden hochmotivierend sein, da ihre Arbeit einen realen Nutzen haben und der/die Praxispartner*in im Idealfall sogar realisierbare Lösungsvorschläge mit in die Umsetzung nehmen kann. Wichtig ist dabei aber, dass bei CBL die Lernprozesse der Studierenden im Vordergrund stehen und nicht eine unentgeltliche Dienstleistung für den/die Praxispartner*in. Dies muss zwischen Lehrperson(en) und Praxispartner*in von Anfang an klar kommuniziert werden.
Anders als bei anderen Lehrveranstaltungen sind die Ergebnisse der Studierenden nicht von vornherein planbar. Da die Studierenden vor allem selbstgesteuert in ihren Gruppen an Lösungen für die Challenge arbeiten, das Problem tatsächlich existiert und Kreativität bei der Lösungsfindung eine große Rolle spielt, muss die Leistungsbeurteilung am Ende der Veranstaltung entsprechend angepasst werden. Passende Prüfungsleistungen sind zum Beispiel Lerntagebücher oder Lernportfolios, in denen die Studierenden den Verlauf der Lehrveranstaltung und ihre Lernfortschritte dokumentieren, und die gemeinsame Präsentation der Ergebnisse in der letzten Sitzung vor den anderen Gruppen und den Praxispartner*innen.
Zwei Puzzleteile liegen links neben dem Puzzle dem sie entnommen wurden.
Da die Ergebnisse der Gruppen nicht vorhersehbar sind, ist es wichtig eine wertschätzende, respektvolle Atmosphäre in der Lehrveranstaltung zu schaffen und Feedback- und Fehlerkultur vorzuleben. Die Entwicklung der studentischen Lösungsvorschläge kann beispielsweise in regemäßigen Feedbackschleifen zwischen den Studierenden und den Praxispartner*innen oder der Lehrperson besprochen werden. Einen besonderen Reiz hat in diesem Zusammenhang auch Peer-Feedback da mehrere Gruppen zu einem Thema arbeiten und sicher auf unterschiedliche Lösungsvorschläge kommen.
Die Rolle der Lehrenden ist in CBL-Veranstaltungen – wie oben schon kurz erwähnt – anders als in klassischen Lehrformen. Die Lehrperson tritt eher unterstützend für die Studierenden auf, gibt ihnen bei Bedarf Impulse und sorgt dafür, dass die Gruppen nicht vom Weg abkommen. Die Selbststeuerung und Selbstverantwortung werden für viele Studierenden zuerst ungewohnt sein. Umso wichtiger ist die klare Kommunikation der Lehrperson, um den Studierenden zu verdeutlichen, dass sie zwar eigenverantwortlich in ihren Gruppen an der Challenge arbeiten, die Lehrperson aber für Fragen zur Verfügung steht. Um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Lösung der Challenge zu erhöhen, ist es die Aufgabe der Lehrperson das Thema der Veranstaltung gemeinsam mit dem/der Praxispartner*in klar zu beschreiben und die Studierenden bei der Erarbeitung der genauen Fragestellung und der Erstellung eines realistischen Zeitplans und passender Meilensteinen zu unterstützen und zu beraten. Abhängig vom Fachsemester der Studierenden muss diese Unterstützung mehr oder weniger engmaschig geschehen. Ihre Aufgabe ist es also das Thema vorzugeben und mit den Studierenden gemeinsam den Rahmen zu erarbeiten an dem sie sich im Verlauf der Veranstaltung orientieren können. Sorgen Sie im Verlauf der Lehrveranstaltung auch dafür, dass die Studierenden diesen Rahmen nicht aus den Augen verlieren! Genauso ist es aber auch Ihre Aufgabe als Lehrperson die Erwartungen des/der Praxispartner*in zu managen, denn - wie oben angesprochen - steht der Lernerfolg der Studierenden im Vordergrund und nicht die Entwicklung eines direkt übertragbaren Konzepts oder Prototypen.

Universitätsprogramm CBL@RUB

Haben Sie eine Idee zur Umsetzung einer CBL-Veranstaltung? Dann ist das Universitätsprogramm CBL@Rub vielleicht interessant für Sie. Lehrende aller Fakultäten sind eingeladen sich zu bewerben, auch gerne in Zusammenarbeit mit Studierenden. Eine Umsetzung in Zusammenarbeit mit den Partnerinstitutionen im Universitätsnetzwerk UNIC in Form eines Virtual Exchanges ist ebenfalls möglich und verdoppelt die mögliche Fördersumme. Mehr Informationen finden Sie auf der Website des Universitätsprogramms.
Angeklickt und weitergelesen
Challenge-based Learning ist ein Framework zu dem verschiedene Definitionen, Verständnisse und Interpretationen existieren. Dieser Blogartikel basiert auf meinen langjährigen Lern- und Lehrerfahrungen in CBL-Veranstaltungen in den Ingenieurswissenschaften. Aber: Wie im Beitrag geschrieben, kann CBL in allen Studiengängen umgesetzt werden. Haben Sie hier keine Hemmungen!
Als zusätzliche Quelle habe ich den Artikel zu Challenge-based Learning im LEHRELADEN, unserem Downloadcenter für Lehre und Didaktik, verwendet. Schauen Sie gerne auch zu anderen Themen vorbei! Der Beitrag zu Challenge-based Learning wurde von Dr. Stephanie Heimgartner und Michael Weckop geschrieben, und gibt das reine Verständnis von CBL an der Ruhr-Universität Bochum wieder. In der Datenbank Lehrmuster finden Sie Berichte zu verschiedenen Veranstaltungen, die schon an der RUB stattgefunden haben. Das betrifft Challenge-Based Learning, aber zum Beispiel auch Forschendes Lernen und Virtual Exchange. Viel Spaß beim Schmökern!
Challenge-based Learning unterscheidet sich von Lehrformen wie dem problembasierten und projektbasierten Lernen durch eine größere Offenheit in der Gestaltung des Lernprozesses durch die Studierenden und durch die Bedingung, dass die in der Lehre verwendeten Probleme tatsächlich real sein müssen. Zu den beiden oben genannten anderen Lehrformen gibt es ebenfalls Artikel im LEHRELADEN.
Bildnachweis: adobe express
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Paula Ruppert
ist Mitarbeiterin der Hochschuldidaktik im ZfW. Ihre Arbeit dreht sich um die Themen Feedback und TAP und die disziplinspezifischen Beratung der Fakultäten.

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