An der Uni sind Sie mit neuen Aufgaben konfrontiert. Eine davon ist das Schreiben von Hausarbeiten, was Sie vor völlig neue Herausforderungen stellen kann. In diesem ersten Teil unserer Serie „Hausarbeiten schreiben“ erklären wir, was eine Hausarbeit überhaupt ist, warum wissenschaftliches Schreiben so anspruchsvoll ist und was Sie tun können, um Ihre Schreib-, Lese- und Textkompetenzen zu erweitern.
Worum es in dieser Serie geht
Diese Serie richtet sich an Studierende, die eine Hausarbeit schreiben (wollen). In loser Folge werden wir – die Mitarbeiter*innen des Schreibzentrums – verschiedene Aufgaben erläutern, die beim Schreiben einer Hausarbeit auf Sie zukommen, und Ihnen Anregungen dazu geben, wie Sie sie konkret bewältigen können. Wir werden uns dabei bemühen deutlich zu machen, was fachübergreifend gilt und was fachspezifisch ist. Sie sollten dennoch prüfen (oder jemanden fragen), ob das, was wir hier sagen, auch so auf Ihr Fach zutrifft.
Eine Hausarbeit ist in vielen Fächern die übliche Form einer Prüfungsleistung im Rahmen eines Seminars. In einer Hausarbeit wird meist eine Fragestellung (ein Problem, eine These, eine Zielvorgabe) aus dem Studienfach (meist aus dem Bereich des Seminarthemas) mithilfe der zu dem Themengebiet relevanten Forschungsliteratur und den Methoden des Fachs untersucht.
Rein formal besteht eine Hausarbeit aus einem Deckblatt, einem Inhaltverzeichnis (ggf. auch Abbildungs-, Abkürzungs- und Tabellenverzeichnis), einer Einleitung, einem in mehrere Kapitel unterteilten Hauptteil, einem Schluss und einem Literaturverzeichnis (und ggf. einem Anhang), plus einer Eigenständigkeitserklärung.
In den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern und oft bei empirischen Arbeiten aus anderen Fächern wird der Text nach dem IMRaD-Schema gegliedert: also Einleitung (Introduction), Material und Methoden (Methods), Ergebnisse (Results), und (and) abschließende Diskussion der Ergebnisse (Discussion). In der Regel ist eine Hausarbeit zwischen 10 und 30 Seiten lang.
Warum Hausarbeiten so anspruchsvoll sind – Schreiben im 'Als-ob'-Modus
Die Hausarbeit ist an die Textsorte wissenschaftlicher Artikel (oder auch Forschungsaufsatz, Fachartikel, Paper o. Ä.) angelehnt. Ein wissenschaftlicher Artikel ist das Medium, in dem Forscher*innen ihre Forschungserkenntnisse und Ergebnisse mitteilen, sich im Forschungsbereich positionieren und profilieren, sich mit den Forschungsmeinungen anderer auseinandersetzen etc.
Wenn Sie also eine Hausarbeit schreiben, sollen Sie in etwa so tun, als ob Sie ein*e Wissenschaftler*in sind und einer – kleineren – Forschungsfrage in einer Art wissenschaftlichem Aufsatz nachgehen; einer Art wissenschaftlicher Aufsatz, weil sich die beiden Textsorten – Fachartikel und Hausarbeit – in verschiedenen Hinsichten unterscheiden.
Unterschiede zwischen Hausarbeiten und wissenschaftlichen Artikeln
Wissenschaftlicher Artikel
Hausarbeit
Autor*in
Wissenschaftler*innen schreiben als Expert*innen im Fachbereich/-thema.
Studierende lernen ja gerade erst (fach-)wissenschaftlich zu schreiben und schreiben daher als Noviz*innen.
Adressat*innen
Die Fach-Community (oder auch scientific community) ist nicht nur Adressat*in des Textes, sondern auch reale*r Leser*in.
Reale*r Leser*in ist häufig nur die*der Betreuer*in. Deshalb wird – sinnvollerweise – oft dazu geraten wird, sich Kommiliton*innen im selben Fach und Semester als Adressat*innen vorzustellen.
Anknüpfung an den Forschungsdiskurs
Die Forschungslücke und damit auch die Fragestellung werden aus dem aktuellen Forschungsstand (bzw. Stand der Technik) abgeleitet.
Oft ist die*der Betreuer*in einzige*r Leser*in. Sehr selten wird ein studentischer Text veröffentlicht.
Relevanz
Der Nutzen für die Wissenschaft und/oder für die Gesellschaft ist im Text deutlich erkennbar.
Eine ‚echte‘ Relevanz ist in den seltensten Fällen gefordert. Es geht eher darum zu zeigen, warum die Bearbeitung der Fragestellung auch für andere interessant ist.
Innovationsgrad
Es wird eine echte Forschungslücke bearbeitet.
Der Arbeit liegt oft keine Forschungslücke zugrunde, sondern es wird einer gut eingegrenzten Frage nachgegangen.
Veröffentlichung
Der Text ist publiziert und oft auch vorher begutachtet (s. Peer-Review) worden.
Oft ist nur gefordert, einen zur Fragestellung passenden Ausschnitt aus dem Forschungsdiskurs darzustellen.
Funktion(en)
Erkenntnisse und Ergebnisse teilen;
Positionierung als Wissenschaftler*in usw.
Grundlage für Leistungsbeurteilung;
Übung im wissenschaftlichen Arbeiten.
Hier finden Sie die Unterschiede zwischen Hausarbeiten und wissenschaftlichen Artikeln bezogen auf die Einleitung genauer beschrieben und erläutert.
Dieses mehrfache Als-ob – Sie schreiben, als ob Sie ein*e wissenschaftliche*r Autor*in wären, als ob Sie für ein Fachpublikum schreiben, als ob Ihr Text veröffentlicht wird –, kann dazu beitragen, dass Ihnen das Schreiben schwerfällt. Auch wenn Betreuer*innen berücksichtigen, dass Sie z. B. erst am Studienanfang sind und ihre Anforderungen an Ihre Texte entsprechend an Ihrem Wissens- und Erfahrungstand orientieren, bleibt diese Fiktionsleistung bestehen.
Warum fachwissenschaftliches Schreiben so anspruchsvoll ist – Die Komplexität des Schreibprozesses
Hinzu kommt, dass gerade das wissenschaftliche Schreiben schwierig sein kann, weil so viele Aspekte beinahe gleichzeitig im Blick – oder genauer noch im doch sehr begrenzten Arbeitsgedächtnis – behalten werden müssen: So sollte ein guter wissenschaftlicher Text nicht nur inhaltlich-fachlich richtig sein, er sollte sinnvoll strukturiert, intersubjektiv, kohärent und präzise formuliert, stilistisch angemessen, sprachlich korrekt etc. sein. Und dabei muss eine große Menge von Fachliteratur eingearbeitet werden.
An alledem wird deutlich, dass Sie erst an der Uni lernen (können), so zu schreiben, wie es in Ihrem Fach gefordert ist, und dass Sie dafür ausreichend Übungsanlässe und Rückmeldung brauchen. Sie müssen beispielsweise nach und nach lernen, wie Sie entscheiden können, welche Fachliteratur für Ihr Thema relevant ist, wie Sie eine gute Fragestellung entwickeln können, wie Texte in Ihrem Fach strukturiert sind, welche typischen wissenschaftlichen Formulierungen genutzt werden, wie man was wann zitiert und belegt usw. Bis Sie da Routinen entwickelt haben, kann es eine längere Zeit (oft sogar bis zum Ende des Studiums) dauern. Ebenso wie die Fachinhalte müssen Sie im Studium eben auch lernen zu denken und zu schreiben wie ein*e Fachwissenschaftler*in.
Auch für Wissenschaftler*innen kann das wissenschaftliche Schreiben herausfordernd bleiben. In einer Interviewreihe des Schreibzentrums der Uni Frankfurt finden Sie Gespräche mit Professor*innen, die u. a. darüber erzählen, welche Strategien und Routinen sie sich im Laufe der Zeit angeeignet haben, um es besser zu bewältigen und die Studierenden aus ihrer Erfahrung heraus Tipps geben.
Was Sie tun können – Schreib-, Lese- und Textkompetenzen erweitern
Das bedeutet, dass Sie sich auf keinen Fall entmutigen lassen sollten, wenn Sie nicht wissen, wie Sie anfangen sollen; wenn Sie die Fülle an Literatur nicht bearbeitet kriegen; wenn Sie keine Idee für eine sinnvolle Gliederung haben; wenn Sie mit dem Ergebnis Ihrer Hausarbeit unzufrieden sind etc. Betrachten Sie das Schreiben von Hausarbeiten als Lernanlässe, bis zur Abschlussarbeit können und werden Sie Ihr Schreiben und Ihre Texte verbessern – natürlich ist das nicht einfach, wenn eben auch Ihre Lerntexte benotet werden.
Um Ihr Schreiben zu verbessern und Routinen zu entwickeln, können Sie noch mehr tun, z. B.:
Schauen Sie sich typische Texte (von Wissenschaftler*innen und von Studierenden) aus Ihrem Fach(-bereich) an. Analysieren Sie, wie sie aufgebaut sind, welche typischen Formulierungen verwendet werden, was die*der Autor*in jeweils tut (z. B. die Methode beschreiben, eine Forschungsmeinung kritisieren, eine These aufstellen usw.) und wie sie*er das tut (also mit welchen Formulierungen).
Fragen Sie Ihre*n Betreuer*in, was sie*er an Ihren Texten konkret gut findet und was sie*er bemängelt, und wie Sie es besser machen können.
Lassen Sie Ihre Hausarbeiten (auch Teile/Rohfassungen) auch von anderen (Freund*innen, Kommiliton*innen, Familie etc.) lesen – und zwar nicht nur im Hinblick auf Rechtschreibung und Kommasetzung, sondern besonders daraufhin, was die*der andere für gelungen hält und worüber sie*er stolpert.
Führen Sie ein Journal, in das Sie beispielsweise notieren, was Sie über einen Text, den Sie gelesen haben, denken, welche Themen Sie interessant finden, welche Formulierungen sie mögen, welche Fragen Sie gerade bewegen etc.
Und kommen Sie im Schreibcafé vorbei oder nehmen Sie an einem Workshop des Schreibzentrums teil. Dort haben Sie die Möglichkeit auszuprobieren und Rückmeldungen auf Textentwürfe zu erhalten, ohne Angst vor ‚Fehlern‘ haben zu müssen.
Sie suchen weitere Unterstützung? Kein Problem!
Egal, ob Sie ein konkretes Anliegen haben oder einfach nur irgendwie unsicher bezogen auf das Schreiben sind – in der Schreibberatung sind Sie richtig. Wir unterstützen Sie z. B. dabei, ein geeignetes Thema zu finden, die passende Literatur zu finden und auszuwählen, einen ersten Essay oder ein Versuchsprotokoll zu verfassen oder konkrete Textentwürfe zu überarbeiten.
Im nächsten Beitrag dieser Serie geht es darum, wie Sie ein Thema für eine Hausarbeit finden und eingrenzen können.
Mehr aus dieser Serie
In unserer Serie "Hausarbeiten schreiben" sind schon einige Beiträge erschienen. Lesen Sie gerne rein:
Bildnachweis: Nadine Lordick
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Maike Wiethoff
Maike Wiethoff ist Mitarbeiterin im Schreibzentrum und beschäftigt sich u.a. mit der Verbindung von Schreiben und Fachsozialisation.
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