13. Februar 2024
Von der Höhle bis in den Cyberspace: Mit Storytelling Wissen festigen
Storytelling in der Lehre ist eine Kunst, die Lerninhalte lebendig macht. Durch Geschichten werden komplexe Inhalte greifbar und das Lernen durch emotionale Bindung nachhaltig bereichert. Diese Methode verbindet alte Traditionen mit modernen Bildungskonzepten und eröffnet neue Möglichkeiten für Lehrende und Lernende gleichermaßen.
Storytelling – alte Technik, sehr lebendig
Eine kleine Geschichte des Storytelling
Am Anfang war das Wort... oder besser gesagt, die Geschichte. Lange bevor die ersten Worte auf Papyrusrollen, Pergament oder Papier festgehalten wurden, begann die Kunst des Erzählens. Diese uralte Praxis wurzelt in den Lagerfeuernächten und den Schatten, die an Höhlenwänden tanzten, während Geschichtenerzähler die ersten Mythen und Legenden verbreiteten. Diese Geschichten waren mehr als nur Unterhaltung; sie waren das Bindeglied, durch das Wissen, Traditionen und Werte von Generation zu Generation weitergegeben wurden.
Die ersten bekannten Versuche, Geschichten festzuhalten, finden sich in Höhlenmalereien, wie denen in Lascaux in Frankreich oder Altamira in Spanien. Diese Bilder, oft Tausende von Jahren alt, zeigen Szenen aus dem Leben, der Jagd und dem Glauben der Menschen dieser Zeit. Obwohl wir ihre Sprachen nicht verstehen und ihre Welten uns fremd sind, sprechen diese Bilder zu uns von gemeinsamen menschlichen Erfahrungen. Sie sind physische Zeugnisse einer mündlichen Tradition und dienten möglicherweise als Visualisierung für Geschichten über Jagd, Götter und das tägliche Leben.
In Zivilisationen wie Mesopotamien, Ägypten, Griechenland und Rom entwickelte sich das Storytelling weiter. Geschichten wurden genutzt, um historische Ereignisse festzuhalten, philosophische Ideen zu vermitteln und religiöse Überzeugungen zu verbreiten. Die Epen von Homer, „Die Ilias“ und „Die Odyssee“, sind klassische Beispiele dafür, wie Geschichten mündliche Traditionen überdauern und in schriftlicher Form weitergegeben werden konnten. Das ägyptische Totenbuch ist ein weiteres bedeutendes Beispiel für das Storytelling in der Antike. Es handelt sich um eine Sammlung von Sprüchen, Gebeten und Ritualen, die den Verstorbenen auf ihrer Reise ins Jenseits unterstützen sollten. Diese Texte, die oft in den Sarkophagen oder Grabkammern der Verstorbenen gefunden wurden, bieten tiefe Einblicke in die ägyptischen Vorstellungen von Tod, Wiedergeburt und dem Leben nach dem Tod. Ein einzigartiges Merkmal des ägyptischen Storytelling war die Verwendung von Hieroglyphen. Diese bildliche Schriftsprache ermöglichte es, Geschichten auf eine sehr visuelle Weise zu erzählen, die sowohl literarische als auch künstlerische Fähigkeiten vereinte.
Im Mittelalter spielte das Storytelling eine zentrale Rolle in der Verbreitung religiöser und moralischer Lehren. Gleichnisse und Legenden wurden in Kirchen und auf Marktplätzen erzählt, um Bildung und Werte zu vermitteln. Die mündliche Tradition blieb zunächst dominant. Die Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert revolutionierte das Storytelling, indem sie Bücher und damit Geschichten einem breiteren Publikum zugänglich machte.
Mit dem Aufkommen neuer Medien wie Fotografie, Film, Radio und schließlich des Internets hat sich die Art und Weise, wie Geschichten erzählt und konsumiert werden, dramatisch verändert. Digitales Storytelling nutzt heute multimediale und interaktive Elemente, um Geschichten auf innovative Weise zu erzählen, die über traditionelle narrative Formen hinausgehen.
Storytelling in der Lehre
Storytelling hat das Potenzial, den Lernprozess auf eine Weise zu bereichern und zu vertiefen, die durch traditionelle Lehrmethoden manchmal nicht erreicht wird. Geschichten faszinieren und binden Zuhörer*innen und Leser*innen nicht nur, sondern sie erleichtern auch das Verständnis komplexer Konzepte und fördern ein tieferes, emotionales Engagement mit dem Lernmaterial. Durch Geschichten können Lehrende eine Brücke zwischen dem Lernstoff und der Lebenswelt der Studierenden schlagen.
Was macht Storytelling so wirksam?
Emotionale Verbindung: Geschichten rufen Emotionen hervor und machen Lernerfahrungen persönlich relevant. Diese emotionale Verbindung kann die Motivation und das Engagement der Lernenden erhöhen.
Förderung der Erinnerung: Die narrative Struktur von Geschichten erleichtert das Erinnern von Informationen. Charaktere, Konflikte und Lösungen in Geschichten helfen, Wissen in einen leichter abrufbaren Kontext zu setzen.
Komplexität verständlich machen: Durch das Erzählen von Geschichten können abstrakte oder komplexe Ideen in verständliche und greifbare Beispiele übersetzt werden. Dies erleichtert das Verständnis und die Anwendung des Gelernten in neuen Kontexten.
Kritisches Denken und Problemlösung: Storytelling regt zum Nachdenken an, indem es Lernende herausfordert, über den Verlauf und die Moral von Geschichten zu reflektieren, Schlussfolgerungen zu ziehen und Problemlösungsstrategien zu entwickeln.
Kulturelle und historische Perspektiven: Geschichten bieten Einblicke in unterschiedliche kulturelle und historische Kontexte und fördern das Verständnis von Diversität.
Praktische Umsetzung
Anker-Geschichten: Lehrende können sogenannte Anker-Geschichten verwenden, um neue Unterrichtseinheiten einzuleiten. Diese Geschichten sind direkt auf das jeweilige Seminarthema abgestimmt und helfen, das Interesse der Studierenden zu wecken und eine emotionale Grundlage für das Thema zu schaffen. Anker-Geschichten können historische Ereignisse, persönliche Erlebnisse oder fiktive Szenarien sein, die thematisch mit dem Lernstoff verknüpft sind.
Charaktere: Durch die Einbindung von Charakteren, mit denen sich die Lernenden identifizieren können, wird das Lernmaterial greifbarer und einprägsamer. Lehrende können fiktive oder historische Personen nutzen, um Konzepte und Ideen zu veranschaulichen. Die Studierenden können aufgefordert werden, die Perspektive dieser Charaktere einzunehmen, was das Verständnis und die kritische Auseinandersetzung mit dem Lernstoff fördert.
Story-Creation: Studierende können eigene Geschichten erstellen, die auf dem Lernmaterial basieren. Diese Technik fördert nicht nur die Kreativität, sondern auch das tiefe Verständnis des Stoffs, da die Studierenden die Informationen aktiv verarbeiten und in einem neuen Kontext anwenden müssen. Diese Methode eignet sich besonders für Gruppenarbeit.
Visuelle Hilfsmittel: Die Verwendung von Bildern, Karten, Grafiken und anderen visuellen Hilfsmitteln kann Geschichten unterstützen und das Verständnis erleichtern. Visuelle Elemente können als Ankerpunkte dienen, um die Aufmerksamkeit der Studierenden zu lenken und abstrakte Konzepte verständlich zu machen.
Besonderheiten des Digital Storytelling
Die Nutzung von digitalen Tools und Plattformen ermöglicht eine multimediale Herangehensweise an das Storytelling. Digital Storytelling kombiniert traditionelle Erzählelemente wie Handlung, Charaktere und Thema mit Multimedia-Komponenten wie Text, Bild, Video, Audio und Interaktivität. Dies spricht verschiedene Sinne an und kann die Geschichte lebendiger und einprägsamer machen. Viele digitale Geschichten bieten außerdem die Möglichkeit zur Interaktion, sei es durch die Auswahl von Handlungssträngen, das Beantworten von Fragen oder das Erkunden von virtuellen Welten. Dies fördert ein aktives Engagement und eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Inhalt.
Ein Vorteil des Digital Storytelling ist die Verbesserung der Medienkompetenz. Die Erstellung digitaler Geschichten hilft Studierenden, wichtige digitale Fähigkeiten zu entwickeln, darunter Recherche, Mediengestaltung und technische Kompetenzen. Darüber hinaus ermutigt Digital Storytelling Lernende, kreativ zu sein und eigene Ideen in vielfältiger Weise auszudrücken.
Die Zukunft des Storytelling
Die Zukunft des Storytelling in der Bildung wird stark von der Integration neuer Technologien geprägt sein. Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) bieten beispielsweise immersive Erlebnisse, die das Storytelling auf eine völlig neue Ebene heben können. Diese Technologien ermöglichen es Lernenden, sich buchstäblich in Geschichten hineinzuversetzen und historische Ereignisse, wissenschaftliche Entdeckungen oder literarische Welten auf eine Weise zu erleben, die das Verständnis und die Erinnerung fördern.
Durch adaptive Lernsysteme und künstliche Intelligenz (KI) wird das Storytelling zunehmend personalisiert. Geschichten können auf die individuellen Interessen, Bedürfnisse und das Lernniveau der Studierenden zugeschnitten werden, wodurch ein maßgeschneidertes Lernerlebnis entsteht, das die Motivation und das Engagement steigert.
Eine stärkere Betonung des kollaborativen Aspekts ermöglicht es Lernenden, mittels digitaler Plattformen gemeinsam Geschichten zu erstellen, zu bearbeiten und zu teilen. Diese Form des Storytelling fördert u.a. die kreative Zusammenarbeit und digitale Kompetenzen.
In einer Zeit, in der Informationen und Geschichten, teils erzeugt durch KI, omnipräsent sind, wird auch die Fähigkeit, kritisch zu denken und ethische Überlegungen anzustellen, immer wichtiger. Studierenden sollten dazu ermutigt werden, die Glaubwürdigkeit von Quellen zu hinterfragen und unterschiedliche Perspektiven zu erkennen.
Haben Sie Lust, Storytelling aktiv in Ihrer Lehre einzusetzen?
Dann machen Sie mit bei unserem E-Learning-Wettbewerb 5x5000. In der aktuellen Runde dreht sich alles rund um das Motto "The Power of Storytelling - Geschichten digital erlebbar machen".
Einreichen können Sie Ihr Projekt noch bis zum 19. Februar 2024!
Bildnachweis: generiert via Midjourney
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Sabine Römer
Sabine Römer ist Mitarbeiterin im Bereich eLearning des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik und Ansprechpartnerin für allgemeine eLearning-Beratung mit Schwerpunkt auf Inverted Classroom-Szenarien, Game Based Learning, H5P, Augmented Learning und 360°-Bilder und -Touren.
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