Vom Umgang mit Schweigen

Sechs Personen sitzen auf Stüheln vor einer gelben Wand und halten ein Blatt Papier mit einem großen schwarzen Fragezeichen vor ihren Gesichtern.
Vielleicht kennen Sie das: Sie stellen in Ihrer Lehrveranstaltung eine Frage. Und dann passiert: nichts. Die Studierenden antworten nicht. Manche schauen Sie an, andere schauen auf den Tisch. Haben Sie jetzt das Bedürfnis, sofort weiter zu reden? Dann haben wir drei Tipps für Sie.

Schweigen als Suchprozess

Erst warten, dann sprechen

Wenn Studierende auf eine Frage nicht reagieren, dann kann das unterschiedliche Gründe haben. Vielleicht war die Frage zu banal oder zu schwer, oder sie ist nicht als Frage wahrgenommen worden, oder die Lernenden möchten einen Moment überlegen. So unangenehm es sein kann, erst einmal nichts zu tun: Machen Sie genau das. Warten Sie mindestens fünf Sekunden, bevor Sie wieder zu sprechen beginnen. Die Zeit können Sie im Kopf zählen (und gegebenenfalls sogar erhöhen). Das braucht etwas Übung, wenn Sie es gewohnt sind, Stille in der Lehrveranstaltung sofort zu unterbrechen. Atmen Sie tief ein und aus, als würde sich ein Luftballon in Ihrem Brustkorb langsam aufblähen und wieder komplett leeren. Wenn immer noch niemand reagiert, und Sie sichergehen möchten, dass die Studierenden alles richtig verstanden haben, bietet sich eine Nachfrage wie diese an:
„Helfen Sie mir: Was bedeutet Ihr Schweigen?“
Viele von uns neigen dazu zu denken, die Frage sei „nicht angekommen“, wenn das Gegenüber nicht antwortet. Dabei kann Schweigen etwas Positives bedeuten. Schweigen kann ein Suchprozess sein, nach Erklärungen, nach Verhaltensmöglichkeiten, nach neuen Bedeutungen, … Möglicherweise verknüpfen Ihre Studierenden das neue Wissen gerade mit Vorwissen und brauchen dafür einen Moment, ehe sie bereit sind zu antworten. Deshalb empfehlen wir Ihnen eine Rahmung zu Ihrer Frage: Kommunizieren Sie, dass die Studierenden eine festgelegte Zeit haben, um über die Frage nachzudenken. So wird die stille Phase als Arbeitsphase definiert und nicht zwingend als unangenehm empfunden.

Die drei Tipps im Überblick:

Warten Sie mindestens fünf Sekunden, bevor Sie wieder zu sprechen beginnen.

Wenn Sie unsicher sind, was das Schweigen bedeutet, sprechen Sie es an: „Helfen Sie mir: Was bedeutet Ihr Schweigen?“

Legen Sie eine bestimmte Zeit fest und kommunizieren Sie diese mit den Studierenden, damit sie Zeit haben, über die Frage nachzudenken.

Und ein Zusatz-Tipp

Einen weiteren Tipp möchten wir Ihnen noch mit auf den Weg geben. Dieser kann helfen Studierende zu ermutigen, in Lehrveranstaltungen auf Fragen zu antworten. Bringen Sie die Stimmen der Lernenden so früh wie möglich zum Klingen. Lassen Sie möglichst viele Teilnehmende in den ersten Kursminuten etwas sagen. Sie können z.B. fragen: „Welche Erfahrungen haben Sie mit unserem heutigen Thema bereits?“ oder „Was fällt Ihnen zum Begriff X ein?“ So aktivieren Sie das Vorwissen der Studierenden und Sie stellen schon zu Sitzungsbeginn die Weichen für eine aktive Mitarbeit. Falls Ihre Studierenden es noch nicht gewohnt sind in Lehrveranstaltungen zu sprechen, könnte Sie diese Fragen auch in Murmelgruppen (Zweiergespräche direkter Sitznachbar*innen) oder über eine kurze Einheit Think-Pair-Share gestalten. Dann sprechen die Studierenden erstmal untereinander, kommen schon zu Wort, müssen aber nicht vor allen Kommiliton*innen antworten.
Lust auf mehr Informationen?
In unserem LEHRELADEN finden Sie in der Rubrik Fragen in der Lehre viele weitere Tipps rund um die gute Formulierung von Fragen – für einzelne Situationen in der Lehre, für die Planung ganzer Lehrveranstaltungs-Sitzungen und für die Gestaltung kompetenzorientierter Prüfungen. Außerdem geben wir Ihnen einen Überblick über Methoden, die sich für den zielgerichteten Einsatz von Fragen in der Lehre besonders gut eignen. Die im Beitrag angesprochene Methode Think-Pair-Share finden Sie zum Beispiel auch dort.
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Julia Philipp
Julia Philipp ist verantwortlich für den LEHRELADEN des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik und beschäftigt sich hauptsächlich mit prüfungsdidaktischen Themen. Sie konzipiert und leitet Fortbildungen zum Thema Prüfen und zu anderen Themen rund um die Lehre, z.B. kreativen Lehr- und Lernmethoden.

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