Wie kann ich mit dem Schreiben beginnen? Ob ich nun vor der ersten schriftlichen Aufgabe stehe oder schon Erfahrungen gesammelt habe – die Frage ist mehr als berechtigt und gar nicht so einfach zu beantworten. Dieser Artikel thematisiert, was dem Einstieg ins Schreiben oft im Weg steht und was ihn erleichtern kann.
Worum es in dieser Serie geht
Diese Serie richtet sich an Studierende, die eine Hausarbeit schreiben (wollen). In loser Folge werden wir – die
Mitarbeiter*innen des Schreibzentrums – verschiedene Aufgaben erläutern, die beim Schreiben einer Hausarbeit auf Sie zukommen, und Ihnen Anregungen dazu geben, wie Sie sie konkret bewältigen können. Wir werden uns dabei bemühen deutlich zu machen, was fachübergreifend gilt und was fachspezifisch ist. Sie sollten dennoch prüfen (oder jemanden fragen), ob das, was wir hier sagen, auch so auf Ihr Fach zutrifft.
Konkret geht es in diesem Artikel darum, welche Schwierigkeiten oft auftreten, wenn man die ersten Sätze und Absätze schreiben möchte. Es kann bspw. sein, dass Sie sich unsicher sind, womit Sie überhaupt anfangen sollen – der Einleitung, dem Hauptteil, dem Fazit? Sich nur zu entscheiden, womit man beginnen möchte, reicht nicht, denn dann kommt die Frage nach dem Wie auf: Wie kann ich denn überhaupt vorgehen, um so einen Text zu schreiben? Wie komme ich überhaupt an mehrere Seiten sinnvoll ausgewählter, (oft) auf die Beantwortung einer Forschungsfrage ausgerichteter und nachvollziehbarer Informationen, Erklärungen, Begründungen, Argumentationen usw.?
Auf vieles davon werde ich eingehen, aber eines muss ich am Anfang sagen: Es gibt keine Pauschallösungen für alles. Es gilt zu schauen, welche Vorgehensweisen für Sie in einer jeweiligen Situation mit der jeweiligen Schreibaufgabe funktionieren.
Was müssen Sie vorher wissen?
An der Uni begegnen Ihnen, je nach Fachsemester und Studiengang, Aufgaben mit unterschiedlichen Anforderungen. Ich musste in meinem ersten Semester eine achtseitige Seminararbeit und einen Essay schreiben. Beides ist zwar, wenn man nur das Ergebnis betrachtet, ziemlich ok ausgegangen, aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich keine Ahnung, was jeweils die genaue Aufgabe war bzw. was die Textsorten unterscheidet. Mit dieser Unsicherheit zu schreiben und die Arbeiten anzugehen, war kein gutes Gefühl und kann auch ganz anders ausgehen.
Diese Situation ist – da bin ich mir sehr sicher – eher der Regelfall als die Ausnahme. Mit den Textsorten, mit denen man an der Uni konfrontiert wird, hat man nämlich vorher keine Berührungspunkte – wie auch? Es ist jedoch so, dass Lehrende Sie mit einer Selbstverständlichkeit vor diese Aufgaben stellen, die suggerieren kann, dass Sie selbstverständlich schon genau wissen müssten, worum es geht.
Es ist also wichtig, sich über die Textsorte, die dazugehörigen Konventionen und die Anforderungen an die Hausarbeit zu informieren. Je nach Fach wird eine Seminararbeit bspw. mit einer Fragestellung, einer (Hypo-)These oder einer Zielsetzung begonnen. Sie müssen sich also bei Mitstudierenden, der Fachschaft oder idealerweise direkt bei den Dozierenden versichern, dass Sie die Textsorte korrekt verstehen. Eine allgemeine Einführung, was eine Hausarbeit ist, finden Sie in unserem Blogbeitrag zum Thema.
In Beratungen sehen wir – die Mitarbeiter*innen des Schreibzentrums – regelmäßig, dass Studierende eine Hausarbeit beginnen wollen, ihnen aber nicht klar ist, wie. Thema , Fokus und Fragestellung geben grundlegend die Richtung der Arbeit und somit notwendige Arbeitsschritte vor.
Bis zu einem bestimmten Punkt kann es sinnvoll sein, zunächst eher ergebnisoffen zu arbeiten. Es ist wichtig, sich in ein Thema einzulesen, mit der Perspektive, dass man mit Neuem konfrontiert wird.
Genauso kann es hilfreich sein, (Denk-)Texte zu verfassen, um sich erst einmal über Inhalte klar zu werden, ohne dass diese Texte in dieser Form in dem eigentlichen Text vorkommen. Ohne eine genaue Fragestellung und einen klaren Fokus (Untersuchungsgegenstand, Methode und Ziel) zu entwickeln, kann man aber auch leicht ins Leere arbeiten, viel lesen, markieren, zusammenfassen, schreiben etc., ohne eben zu wissen, wohin das Ganze führen soll.
Die Rahmenbedingungen zu Beginn in Erfahrung zu bringen ist auch notwendig. Diese können persönlich und formal sein: Wie lang darf/muss die Arbeit werden? Wann müssen Sie die Arbeit abgeben? Wann haben Sie Zeit, um sich mit der Arbeit zu beschäftigen? Welchen Zitierstil müssen Sie verwenden? Erfordert die Arbeit bspw. Interviews, die Sie erst durchführen müssen, oder gibt es Räume, die Sie buchen, oder Material, das Sie bestellen lassen müssen? Usw.
Was erleichtert den Einstieg?
Der Einstieg ins Schreiben sieht für alle unterschiedlich aus, je nach persönlicher Situation, Studienfach, Textsorte, eigenen Schreiberfahrungen usw.
Sich mit anderen austauschen
Helfen kann Ihnen der Austausch mit Mitstudierenden. Steht die erste Hausarbeit im Studium an? Wahrscheinlich nicht nur für Sie. Wahrscheinlich sitzen Sie in Veranstaltungen neben anderen Studierenden, von denen Sie wissen, dass sie bald alle mit ihrer ersten Hausarbeit anfangen (müssen). „Aber was wissen die denn mehr als ich?“ mag als Gedanke aufkommen. Vielleicht haben Ihre Mitstudierenden keine oder wenige neue und gesicherte Informationen für Sie, aber allein der Austausch und die Erkenntnis, dass man mit Unsicherheiten nicht allein ist, kann viel helfen.
In Schreibberatungen sehen meine Kolleg*innen und ich das oft: Studierende denken fast immer, dass nur sie dieses Problem, diese Unsicherheit haben, aber das ist nicht so. Im Austausch kann es passieren, dass Sie bspw. gemeinsam über Literaturrecherche nachdenken und so zu neuen Ideen kommen.
Die Latte nicht so hoch hängen…
…ist leichter gesagt als getan, ich weiß. Aber mit meiner Erfahrung aus dem Studium und dem Wissen aus Schreibdidaktik kann ich Ihnen einige Dinge sagen, von denen ich sicher bin, dass Sie sie früher oder später fühlen – und nicht nur verstehen – werden:
Schreiben an der Uni hat wenig bis gar nichts mit dem Schreiben in der Schule zu tun! Inhalte, Rahmenbedingungen, Textsorten, Ansprüche, Vorgehensweisen etc. sind grundlegend anders. Deshalb ist es in Ordnung, wenn Sie das Schreiben im universitären Kontext nicht von Anfang an können und es erst im Laufe Ihres Studiums lernen. An komplexen Inhalten über Wochen und Monate zu arbeiten (Fragestellung, Fachliteratur, Forschungsstände, Definitionen etc.), ist wahrscheinlich nichts, was Sie in der Schule gelernt haben, oder etwas, was Sie sich eben mithilfe eines Ratgebers anlesen können. Leider wird oft das Gefühl vermittelt, dass Sie das alles schon können müssten, wenn man an die Uni kommt, da es nur in wenigen Tutorien oder Seminaren behandelt wird.
Ich möchte Ihnen nichts unterstellen, aber ich bin mir sicher: Sie sind beim Schreiben wahrscheinlich oft sehr unfair zu sich selbst – oder werden es sein! Sie kennen diese Situation bestimmt: Sie schreiben einen Absatz, lesen ihn wieder und erkennen sofort, dass er sich von allem, was Sie in der Forschungsliteratur gelesen haben, sehr unterscheidet. Das Ergebnis kann sein, dass Sie Ihren Absatz total schlecht finden. Und das ist nicht fair. Die eigenen Anfänge, in diesem Fall die Rohfassung eines Absatzes, mit dem Ergebnis eines*r Expert*in, einem Absatz, an dem eine oder mehrere schreiberfahrene Personen vielleicht Wochen oder Monate gearbeitet haben und der wahrscheinlich mehrfach von anderen Expert*innen gefeedbackt und überarbeitet wurde, zu vergleichen, ist – und da wiederhole ich mich gerne – nicht fair.
Und selbst Ihr abgabefertiger Absatz liest sich wahrscheinlich anders als der Absatz aus dem Forschungsartikel. Das liegt daran, dass Sie noch Anfänger*in sind – und das ist ok. Natürlich haben Dozierende bestimmte Ansprüche an Ihre Texte (bspw. korrekte Verwendung von Fachsprache, objektiver Stil) und in bestimmten Aspekten sind Ihre Texte auch mit denen von professionellen/erfahrenen Schreibenden vergleichbar , aber von Ihnen wird nicht in der ersten Hausarbeit erwartet, dass Sie publizierbare Texte produzieren. Nur fühlt sich das oft leider anders an…
In diesen Punkten zeigt sich, dass Sie das wissenschaftliche Schreiben erst noch lernen müssen, weil Sie noch unerfahren sind. Dass bedeutet aber auch, dass Sie nicht schon bei der ersten Hausarbeit die perfekte Arbeitsweise entdeckt haben können und einen publizierbaren Text vorweisen müssen. Das geht auch überhaupt nicht. Sie werden im Laufe des Studiums Erfahrungen sammeln, Ihre Expertise erweitern und und Methoden-Repertoire vergrößern.
Und noch so am Rande… lassen Sie sich nicht von dieser einen Person einschüchtern oder verwirren, die meint, sie wüsste ab dem ersten Tag die „beste“ und „effizienteste“ Strategie für all die Dinge, die sie selbst gerade zum ersten Mal macht.
Schreibstrategien können hilfreich sein, wenn Sie mit dem Schreiben anfangen wollen. Dabei geht es nicht nur darum, Vorgehensweisen anzuwenden, sondern auch andere bewusst nicht anzuwenden. Sie haben sich bislang nämlich Schreibstrategien (hauptsächlich) aus der Schule angeeignet und die sind für das Schreiben an der Uni oft nicht hilfreich, weil der Kontext ganz anders ist.
Es mag Ihnen nicht so vorkommen, als ob Sie überhaupt eine oder sogar mehrere Schreibstrategien hätten, aber wenn man sich nur mal das Schreiben einer Klausur anschaut, stecken darin schon einige Strategien, die Sie unbewusst vielleicht auch auf andere Texte anwenden.
Am Anfang beginnen und am Ende aufhören: Klingt banal, ist es aber nicht. In handschriftlichen Klausuren haben Sie kaum die Möglichkeit, in der Mitte eines Textes anzufangen. Bei einer Hausarbeit, die Sie über Wochen schreiben, ist es egal, womit Sie anfangen. Es ist in z.B. nicht notwendig, dass Sie mit der Einleitung beginnen.
Alles in einem Wurf schreiben: Auch dies ist ein typisches Szenario in der Klausur, dass Sie unter Zeitdruck alles aufschreiben, was Ihnen zu der Aufgabe einfällt. Einen Text bspw. umfangreich zu planen oder das Geschriebene zu überarbeiten ist in der Zeit kaum umsetzbar. Eine Hausarbeit hingegen muss und sollte nicht in einem Wurf geschrieben werden. Ganze Texte und einzelne Passagen können geplant, in einer ersten Fassung niedergeschrieben und mehrfach überarbeitet werden, bis am Ende die Abgabeversion steht (dazu gleich mehr).
Teilaufgaben beim Schreiben
Eine empfehlenswerte Schreibstrategie besteht darin, sich auf einzelne Teilaufgaben zu konzentrieren, um sich so nicht zu überfordern. Denn wenn man sich bspw. erst einmal nur vornimmt, Informationen zu einem Aspekt aus den Notizen zusammenzutragen, ist das oft einfacher, als sich vor die Aufgabe zu stellen, dass man sein Grundlagenkapitel in einem Wurf schreiben möchte. Und dann ist es auch leichter anzufangen. Ein Beispiel:
Ich möchte einen Absatz zu einer Theorie schreiben, die in meiner Hausarbeit vorkommt.
1. Ich kann mir anschauen, welche Informationen ich schon in meinen Notizen
2. Dann würde ich diese zusammentragen. Ich nutze dafür fast immer kleine Zettel. Auf jeden Zettel kommt dann eine Info, oft nur als Stichwort oder Phrase, selten als Satz.

3. Um aus dem Gesammelten dann sinnvoll auszuwählen, was ich für den Absatz brauche, überlege ich, was die Funktion des Absatzes ist. Möchte ich etwas bspw. diskutieren, vergleichen, darstellen oder definieren?
4. Je nachdem, was ich in dem Absatz machen möchte, sortiere ich einige Zettel aus.
5. Mit den übrigen Zetteln erstelle ich eine erste Struktur. Die ist oft noch nicht linear, zeigt aber Verbindungen zwischen einzelnen Zetteln an. Da ein Text aber linear ist, muss ich alles noch in eine lineare Form bringen.
6. Deshalb erstelle ich einen Schreibplan. Das ist eine geordnete Liste mit den Infos, die ich für den Absatz verwenden möchte, fast ein Rezept für den nächsten Schritt.
7. Denn jetzt schreibe ich eine Rohfassung, in der ich alles aus meinem Schreibplan unterbringe. Bei der Rohfassung achte ich darauf, dass ich mich nicht ablenken lasse und möglichst schnell zu einer ersten Textversion komme. Diese Rohfassung ist nicht gut, aber das ist ok. Denn sie ist immerhin da und ich kann leichter an einem noch rohen Text arbeiten, als vor einem leeren Blatt/Bildschirm zu sitzen. Und dass sie nicht gut ist, führt zu meinem nächsten Schritt.
8. Ich überarbeite diesen Text auf allen Ebenen (Inhalt, Struktur und Sprache). Ich überprüfe bspw., ob alle wichtigen Informationen drin sind und ob nicht irgendwelche unwichtigen Informationen den Textfluss stören. Ich gebe den Text evtl. aus der Hand und frage, ob jemand meine Struktur nachvollziehen kann. Ich schaue, ob ich Fachbegriffe angemessen benutze, mich angemessen ausdrücke
Dieser Ablauf kann den Einstieg ins Schreiben erleichtern, vereinfacht aber stark die Komplexität. Kein Schritt kann einfach so zu 100% fokussiert angegangen und abgeschlossen werden. Bspw. denken Sie und ich beim Zusammentragen der Informationen schon an mögliche Zusammenhänge oder Formulierungen, beim Überarbeiten merken wir, dass wir die Struktur grundlegend verändern müssen, also geht es ein paar Schritte zurück.
Das ist aber nur ein Vorgehen von vielen Möglichkeiten, die Sie in Ihr Repertoire aufnehmen können. Weitere Strategien, die Sie ausprobieren können, finden Sie
hier , Anregungen zum Ausprobieren beim kreativen Schreiben
hier.
Was Sie aus diesem Blogartikel mitnehmen, ist natürlich Ihre Entscheidung. Meine Absicht ist, Ihnen zwei Kernbotschaften mitzugeben:
1) Schreiben an der Uni ist komplex und kompliziert. Es verursacht Irritationen und Unsicherheiten, es erfordert Mühe, Zeit und Bereitschaft Neues zu lernen.
2) Es ist wichtig und hilfreich, sich ein Repertoire aus Strategien aufzubauen, die ausprobiert, reflektiert werden müssen.
Ich hoffe, dass dieser Artikel hilfreich für Sie ist. Falls Ihnen noch ein Tipp, eine Strategie oder eine Anekdote zum Thema „Mit dem Schreiben anfangen“ einfällt, schreiben Sie dies gerne in die Kommentarspalte.
Von Werder, Lutz: Lehrbuch des wissenschaftlichen Schreibens. Berlin/Milow: Schibri-Verlag, 1993.
Perrin, Daniel et al. (Hrsg.): Schreiben. Von intuitiven zu professionellen Schreibstrategien. 2., überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2003.
Wir unterstützen Sie dabei mit dem Schreiben anzufangen
Dass es schwierig ist, mit dem Schreiben anzufangen, wird häufig in Schreibberatungen thematisiert. Falls auch Sie Fragen dazu haben, nutzen Sie unsere Beratungsangebote im Schreibcafé oder die Beratung durch Mitarbeiter*innen .
In unserer Serie "Hausarbeiten schreiben" sind schon einige Beiträge erschienen. Lesen Sie gerne rein:
Bildnachweis: André Deutscher, Nadine Lordick