Gruppe aus fünf Personen diskutiert gemeinsam.

Agil agieren in der Lehre

Agil sein trotz Planung, das klingt nach einem Widerspruch. Dabei ergänzen sich die Ansätze sehr gut, und in der Didaktik von Lehrveranstaltungen bedeutet Agilität vor allem eine Studierendenzentrierung. Wie das genau gehen kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.

„Agile Didaktik – auch das noch?!“

Wenn das Ihr erster Gedanke ist, kann ich Sie beruhigen: Es geht im Kern um das, was gute Lehre eh ausmacht. Um das zu erläutern, möchte ich den Haupt-Autor und Herausgeber des Buchs „Agile Hochschuldidaktik“, Prof. Dr. Dr. Christof Arn, zitieren:
Wenn Lehrpersonen echt mit den Lernenden inter­agieren, prägen alle gemeinsam den Verlauf.
Für den Schweizer Hochschuldidaktiker und Ethiker bedeutet Agilität in der Lehre, dass das Lernen der Studierenden im Mittelpunkt steht. Kommt Ihnen das bekannt vor? Richtig, seit der Bologna-Reform sprechen wir im Hochschulwesen vom „shift from teaching to learning“ und der Lernendenzentrierung.

Was ist das Besondere an Arns Konzept?

Er denkt den Fokus auf dem Lernen weiter als vorherige Konzepte. Als Lehrende*r nehmen Sie fortlaufend genau wahr, was bei den Studierenden passiert, und passen Ihr Vorgehen aus dem Moment heraus an die Erfordernisse an. Das befördert den Lernprozess enorm, was schon John Hattie festgestellt hatte. Sie reagieren agil und wechseln situationsabhängig zwischen agilem und geplantem Verhalten in der Lehre, um das studentische Lernen so intensiv zu begleiten wie möglich.
Agilität bedeutet keine völlige Ergebnisoffenheit, sondern ist eher als Bewegung auf einem Kontinuum zwischen „Kontrolle“ und „Vertrauen“ in Richtung des Vertrauens zu sehen. Denn auch eine agile Didaktik setzt einen Rahmen und definiert Ziele
Agile Didaktik geht nur nicht notwendigerweise davon aus, dass Lernprozesse (linear-kausal) planbar sind.
Dr. Sebastian Walzik im Buch von Arn

Andere Begriffe, aber wichtig ist die Haltung

So ist es beinahe logisch, dass Arn etliche Begriffe aufzählt, die er als synonym zu „agiler Didaktik“ betrachtet:
Co-Didaktik oder Mit-Didaktik (weil sie im Miteinander mit den Lernenden entsteht),

Kontaktdidaktik bzw. Begegnungsdidaktik (weil tatsächlicher Kontakt angestrebt wird),

Dialogdidaktik,

Jetzt-Didaktik (weil didaktische Entscheidungen im Moment getroffen werden) oder

Didaktik als Performanz (weil: „Per-Formance steht dafür, dass Form tatsächlich verändert wird“). Prof. Dr. Gabi Reinmann bezeichnet sie als „situative Didaktik“.
Alle Synonyme deuten an: Es geht bei agiler Didaktik darum, dass eine echte, eine dialogische Interaktion mit den Lernenden im Moment des Lernens und Lehrens entsteht, die sich auf die Beteiligten auswirkt – sprich es geht ihm um eine Haltung des Präsent-Seins im Austausch mit den Lernenden.

Konkrete Umsetzung

Das bedeutet das für Ihre Lehre, wenn agile Didaktik vor allem eine Frage der Haltung ist? Dazu schreibt Dr. Sebastian Walzik im Buch von Arn:
Die wesentliche Herausforderung, Ideen der agilen Didaktik an Universitäten umzusetzen, wird wohl in der Frage bestehen, wie sich der elastische Umgang mit Zielen und Abläufen der individuellen Lernprozesse mit (…) Standardisierung, Normierung und Kontrolle von Prozessen des Lehrens und Lernens (…) vereinbaren lässt.
Eine stark standardisierte Form der Lehre an Universitäten ist zum Beispiel die Vorlesung. Ja, als Lehrende*r müssen Sie bestimmte Inhalte lehren, und gleichzeitig schlägt Arn vor, dabei einen stark lernenden und lernprozessorientierten Weg zu gehen. Er schlägt vor allem die Nutzung kollaborativer Tools vor, von denen einige in seiner Materialsammlung online und weitere in unserem Lehrportal LEHRELADEN zu finden sind.

Fazit und 5 Tipps

Lernprozesse laufen sehr selten wie geplant ab. Damit geht eine agile Didaktik konstruktiv um. Wenn Sie agil, sprich in besonderem Maße lernendenorientiert, handeln möchten in Ihrer Lehre, dann ist es in erster Linie eine Frage der Haltung. Denn Sie handeln dann auf Augenhöhe mit Ihren Studierenden. Das ist für alle Beteiligten wahrscheinlich neu. Gehen Sie in kleinen Schritten vor, indem Sie z.B. erst einmal kollaborative Arbeitsweisen einführen.
Die Ziele Ihrer Lehre sind bei agiler Herangehensweise prozessadaptiv, das bedeutet: Ja, Sie haben Ziele und damit einen Rahmen für Ihre Lehre. Was auf dem Weg dahin passiert, ist situativ. Wenn Sie sich mehr und mehr darauf fokussieren, was Sie bei Ihren Studierenden im Lernprozess wahrnehmen, und darauf reagieren, entsteht eine Atmosphäre des Austausches. In dieser ist eine echte Interaktion mit den Lernenden möglich. Und Sie können in jedem Moment entscheiden, wo Sie sich auf einem Kontinuum zwischen Agilität und Planung bewegen möchten.

Und denken Sie immer an Arns wichtigste Tipps:

  1. Sie haben mehr Erfahrung mit agiler Didaktik, als Sie denken – gehen Sie davon aus.
  2. Sie kennen agile Techniken aus anderen Bereichen – nutzen Sie diese als Analogien.
  3. Strikte Planung ist vermeintliche Sicherheit – agile Didaktik lebt von Vertrauen.
  4. Auch die Lernenden müssen agile Didaktik erst lernen – Sie sind damit nicht allein.
  5. Fortlaufend so viel wagen, wie man sich zutraut – so wird es von selbst immer mehr.
Weitergelesen und angeklickt
Arn, Christof (2020): Agile Hochschuldidaktik. 3. Auflage. Weinheim/ Basel: Beltz.

AGGIT-Methodenbaukasten der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften.
Bildnachweis: pexels | Ivan Samkov

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Julia Philipp
Julia Philipp ist verantwortlich für den LEHRELADEN des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik und beschäftigt sich hauptsächlich mit prüfungsdidaktischen Themen. Sie konzipiert und leitet Fortbildungen zum Thema Prüfen und zu anderen Themen rund um die Lehre, z.B. kreativen Lehr- und Lernmethoden.

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