Wissenschaftlich formulieren

Screenshot "Hausarbeiten schreiben Teil 7".
Eine Hausarbeit zu formulieren ist nicht einfach, denn in wissenschaftlichen Texten ist eine spezifische Art von Sprachverwendung üblich. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie wissenschaftliche Texte gemacht sind und wie Sie sich im Laufe Ihres Studiums die Ausdrucksweise für das Schreiben von Hausarbeiten in Ihrem Fach immer besser aneignen können.
Worum es in dieser Serie geht
Diese Serie richtet sich an Studierende, die eine Hausarbeit schreiben (wollen). In loser Folge werden wir – die Mitarbeiter*innen des Schreibzentrums – verschiedene Aufgaben erläutern, die beim Schreiben einer Hausarbeit auf Sie zukommen, und Ihnen Anregungen dazu geben, wie Sie sie konkret bewältigen können. Wir werden uns dabei bemühen deutlich zu machen, was fachübergreifend gilt und was fachspezifisch ist. Sie sollten dennoch prüfen (oder jemanden fragen), ob das, was wir hier sagen, auch so auf Ihr Fach zutrifft.
Wenn Sie eine Hausarbeit schreiben, stehen Sie vor der Aufgabe, den Text sprachlich den Anforderungen entsprechend zu formulieren. Doch wie finden Sie heraus, welche Konventionen in Ihrem Fach bzw. dem Themenbereich, in dem Sie schreiben, und für die Art von Hausarbeit gelten, die Sie schreiben? Hierfür können Sie sich an vergleichbaren wissenschaftlichen Fachartikeln orientieren, weil Hausarbeiten eine Art Simulation dieser Textsorte sind. (Näheres hierzu finden Sie im ersten Beitrag dieser Serie „Was ist eine Hausarbeit “.) Weil Sie vermutlich erst im Studium beginnen, sich mit wissenschaftlichen Texten zu beschäftigen, ist es normal, wenn Sie auch die sprachlichen Besonderheiten wissenschaftlicher Texte in Ihrem Fach erst dann lernen und einüben, während Sie immer besser verstehen, wie in Ihrem Fach gedacht, geforscht und argumentiert wird. Lassen Sie sich deshalb nicht entmutigen, wenn es Ihnen schwerfällt, Ihre ersten Hausarbeiten zu formulieren, oder wenn Sie auch einmal die Kritik hören, Sie würden nicht wissenschaftlich genug schreiben. Fragen Sie stattdessen nach, was damit genau gemeint ist.

Verstehen, wie wissenschaftliche Texte gemacht sind

Um eine Hausarbeit in angemessener wissenschaftlicher Sprache zu schreiben, kann es hilfreich sein, wenn Sie verstehen, wie wissenschaftliche Texte sprachlich und argumentativ gemacht sind. Hierfür gibt es zwei nützliche Ansätze aus der Linguistik. Beide Ansätze können Sie nutzen, um sich wissenschaftliche Texte zum Themengebiet Ihrer Hausarbeit, die mit einer ähnlichen Methode arbeiten und eine vergleichbare Projektart haben, genauer anzusehen.

Alltägliche Wissenschaftssprache

Der eine Ansatz ist das Konzept der „Alltäglichen Wissenschaftssprache“. Neben der jeweils für eine Disziplin und für ein Thema typischen Fachbegriffe gibt es Formulierungen, die in allen wissenschaftlichen Texten vorkommen, weil sie ein bestimmtes Vorgehen in den Wissenschaften oder in wissenschaftlichen Texten abbilden. Diese idiomatischen Wendungen kommen auch in unserer Alltagssprache vor, werden aber in wissenschaftlichen Texten auf eine besondere Art verwendet. Das sind z. B. Formulierungen wie „Im folgenden Kapitel werde ich die Unterschiede zwischen … und … darstellen“ oder „unter Berücksichtigung der Theorie von … lässt sich dieses Ergebnis folgendermaßen interpretieren: …“. Formulierungen dieser Art bilden das Grundgerüst vieler Texte. Hier ein Beispieltext, in dem die Formulierungen der Alltäglichen Wissenschaftssprache markiert sind (der Text stammt aus dem Onlinematerial zum Lehrbuch: Wissenschaftssprache Deutsch: lesen – verstehen – schreiben von Gabriele Graefen und Melanie Moll).
Wenn für Sie Deutsch eine Fremdsprache ist oder Sie Sprachkurse zum wissenschaftlichen Schreiben in einer anderen Sprache besucht haben, kennen Sie solche Formulierungen vielleicht von Listen mit Redemitteln für wissenschaftliche Texte. Ähnlich wie beim Lernen einer neuen Sprache eignen Sie sich die Formulierungen und Konstruktionen der Alltäglichen Wissenschaftssprache am besten durch Lesen und Schreiben an.

Texthandlungen – Bausteine für das wissenschaftliche Argumentieren und Formulieren

Noch etwas tiefer erfasst das Konzept der Texthandlungen (oder auch Textprozeduren oder Moves), wie wissenschaftliche Texte gemacht sind. Um eine Texthandlung zu identifizieren, frage ich mich: „Was tut die Autorin in diesem Satz oder Textteil?“ Und gebe z. B. als Antwort: „Sie stellt eine These auf“, „Sie begründet die Relevanz Ihres Themas“ oder: „Sie hebt ein interessantes Ergebnis in den Daten hervor“. Texthandlungen bezeichnen bestimmte, für wissenschaftlich Texte typische argumentative Züge und sind, bildlich gesprochen, die Bauelemente eines Texts. Sie können Sie sich wie Bauklötze vorstellen, aus denen der Text zusammengesetzt ist und die Sie mit Ihren Inhalten befüllen können. Ein Beispiel für einen Ablauf aus solchen Denkbewegungen, der typisch für die Einleitung von Forschungsartikeln ist, ist das CARS-Modell, das Sie im Beitrag zur Fragestellung finden. Verschiedene Textsorten oder auch Teile von Forschungstexten sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich aus bestimmten Texthandlungen zusammensetzen, die sich aus ihrer kommunikativen Funktion ergeben.
In der folgenden Zusammenfassung eines Forschungsprojekts sind die verschiedenen Texthandlungen farblich gekennzeichnet, die für diese Textsorte – und auch für viele Einleitungen – typisch sind: Das Forschungsfeld beschreiben, eine Forschungslücke benennen, ein Forschungsziel darstellen, den Gegenstand der Forschung beschreiben, die Forschungsmethode beschreiben, die Relevanz der Forschung darstellen. Das Beispiel zeigt, dass eine Texthandlung nicht unbedingt in einem Block dargestellt wird und dass sie sich mehrfach wiederholen kann.
Das Forschungsprojekt hat das Ziel, bislang unbeachtete Quellen zur Kaperschifffahrt der Städt Hamburg zu Lübeck über EDV editorisch zu erschließen und sie zum Druck zu bringen. Es handelt sich dabei um drei größere Register, in denen Ausrüstungslisten, Mannschaftsverzeichnisse, Soldrechnungen etc, über Ausreedungen und Fahrten der unter Hamburger bzw. Lübecker Flagge segelnden Kaperschiffe im Zeitraum von 1472 bis 1510 eingetragen worden sind. Tine namenswore moderne For lag und liegt zum überwiegenden Teil an der Wahrnehmung der Quellen. Die Aufwendungen für die von den Städten ausgerüsteten Schiffe sind in den städtischen Hauptrechnungen Hamburgs und Lübecks lediglich summarisch eingestellt worden. Da diese Sammelrubriken meist auch Reparaturen und ähnliches beinhalten, (Zusammenfassung des von der DFG mit Sachbeihilfe geförderten Projekts ‚Kaperschiffahrt in Hamburg und Lübeck während der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts‘, http:/ /gepris.dfg.de/gepris/projekt/5086807)
Die Texthandlungen werden in der Regel durch Formulierungen der Alltäglichen Wissenschaftssprache ausgedrückt. So können Sie das Thema Ihrer Arbeit in der Einleitung vorstellen, indem Sie z. B. eine der folgenden Formulierungen nutzen: „Die vorliegende / diese Arbeit beschäftigt sich mit / thematisiert …“, „In der vorliegenden Arbeit geht es um … / soll dargestellt werden … / wird … behandelt“ oder „Ziel/Gegenstand der vorliegenden / dieser Arbeit ist …“. Eine Übersicht über typische Texthandlungen in Hausarbeiten mit entsprechenden Formulierungen finden Sie in unserem Handout (und für Forschungstexte auf Englisch in der Academic Phrasebank der Universität Manchester). Um mit diesen Materialien gut zu arbeiten, müssen Sie die Texthandlungen auswählen, die für Ihren Themenbereich und für Ihre konkrete Hausarbeit relevant sind, und überprüfen, welche Formulierungen für Ihren Fall geeignet sind (hier gibt es Bedeutungsunterschiede, es handelt sich nicht um Synonyme).
Sie können die Konzepte der Texthandlungen und der Alltäglichen Wissenschaftssprache auf verschiedenen Ebenen für Ihr Schreiben nutzen:
Sie können eine Vorlage für die Strukturierung Ihres Texts erarbeiten, indem Sie sich die für den entsprechenden Textteil typischen Texthandlungen vergegenwärtigen und inhaltlich mit Material zu Ihrem Thema füllen.

Sie können sich die Formulierungen der Alltäglichen Wissenschaftssprache aneignen, die für die Texthandlungen in Ihrem Fach verwendet werden. Hierfür können Sie selbst Fachtexte analysieren und Formulierungen sammeln oder entsprechende Materialien nutzen.

Aspekte wissenschaftlichen Stils

Es gibt verschiedene – teilweise auch widersprüchliche – Empfehlungen für wissenschaftlichen Stil. Stil ist einerseits etwas Individuelles und wird andererseits durch die Konventionen einer bestimmten Kommunikationsgemeinschaft bestimmt. Es gibt nicht den einen guten Stil, sondern je nach Textsorte, Ziel und Adressat*innen sind unterschiedliche Sprachverwendungen angemessen.
In wissenschaftlichen Texten allgemein – und also auch in Hausarbeiten – geht es darum, komplexe Inhalte verständlich, genau bzw. möglichst eindeutig und (intersubjektiv) nachvollziehbar für eine informierte Zielgruppe darzustellen. Je nach Fach, Themengebiet, theoretischer und methodischer Ausrichtung und Art der Hausarbeit kann das Unterschiedliches bedeuten: Je nachdem, welche Bedeutung z. B. die Perspektive der Schreibenden/Forschenden für die Forschungsmethode hat, wird das Wort „ich“ unterschiedlich verwendet oder auch ganz vermieden.
In einem Video aus dem Schreibzentrum der Universität Frankfurt sprechen Forschende verschiedener Fächer darüber, was für sie guter wissenschaftlicher Stil ist. Bei allen Unterschieden fällt auf, wie wichtig alle die Sprache nehmen und dass es ihnen vor allem um Verständlichkeit geht.
Screenshot des Videos zu "Welchen Stil sollten wissenschaftliche Texte haben?" der Uni Frankfurt.
Professor Johannes Völz, Amerikanistik
Schauen Sie sich also an, wie in wissenschaftlichen Texten formuliert wird, die thematisch und methodisch mit Ihrer Hausarbeit vergleichbar sind.
Allgemein können Sie sich an den folgenden Anregungen orientieren:
Verwenden Sie die Fachbegriffe, die für Ihr Fach und Ihr Thema relevant sind und bleiben Sie auch bei diesen Begriffen. Terminologische Eindeutigkeit ist in einem wissenschaftlichen Text wichtiger als stilistische Abwechslung.

Formulieren Sie so genau wie möglich. Überlegen Sie immer wieder, ob Sie genau das schreiben, was Sie sagen möchten – oder ob Sie eine noch genauere und passendere Formulierung finden können.

Schreiben Sie möglichst sachlich und seien Sie vorsichtig mit Stilmitteln, die vor allem die Emotionen ansprechen sollen, wie bildhaften Vergleichen, die große Deutungsspielräume öffnen, Übertreibungen oder rhetorischen Fragen. Für wissenschaftliche Texte ist eine rationale Argumentation entscheidend.

Ich, man, wir? Je nach Teildisziplin, Themenbereich oder verwendeter Forschungsmethode kann es üblich sein, das Wort „ich“ zu verwenden oder es ganz zu vermeiden. Fragen Sie, wenn Sie unsicher sind, auch Ihre Lehrenden. Häufig können Sie es nutzen, wenn Sie sich auf die Textorganisation beziehen („In diesem Kapitel werde ich …“) oder wenn Sie ganz ausdrücklich – und begründet – Position beziehen.

Lange Sätze, Passiv, Nominalisierungen und Fremdwörter? Sie kommen in wissenschaftlichen Texten wegen der komplexen Inhalte, der Beschreibung von Abläufen, der Vermeidung des Worts „ich“ und der Verwendung von Fachbegriffen häufig vor, können Text aber auch schwer verständlich machen. Schreiben Sie deshalb nicht komplizierter als nötig und konzentrieren Sie sich auf Verständlichkeit, Genauigkeit und Eindeutigkeit.
Weitere Aspekte wissenschaftlichen Stils finden Sie in unserer Handreichung zum Überarbeiten, vor allen in den Abschnitten „Satzebene“ und „Wortebene“. Hier finden Sie auch Vorschläge, wie Sie die sprachliche Gestaltung Ihres Texts selbst überprüfen können.

Was Sie tun können, um wissenschaftlich formulieren zu lernen

Studien zeigen, dass es in der Regel eine Reihe von Hausarbeiten braucht, bis Studierende sich die typischen sprachlichen Muster und dahinter liegenden Denk- und Argumentationsmuster angeeignet haben. Sie benötigen also Geduld und Übungsmöglichkeiten. Auch wenn das Arbeit macht und manchmal sicher Überwindung kostet: Nutzen Sie alle Gelegenheiten, die sich Ihnen bieten, um Texte in Ihrem Fach zu schreiben und eine Rückmeldung Ihrer Lehrenden darauf zu bekommen. So lernen Sie am meisten über das wissenschaftliche Formulieren.
Aber auch unabhängig von universitären Schreibaufgaben und neben dem Lesen von Texten aus Ihrem Themengebiet können Sie etwas tun, um das wissenschaftliche Formulieren zu lernen:
Sie können sich gezielt die Fachbegriffe zu einem Thema erarbeiten, indem Sie sich die entsprechenden Begriffe z. B. in Lehrveranstaltungen notieren oder aus Texten herausschreiben und vielleicht auch noch einmal nachschlagen. Wenn Sie sich so ein eigenes Fachwörterbuch zusammenstellen, eignen Sie sich gleichzeitig Fachinhalte und Fachsprache an.

Sie können ein wissenschaftliches Journal führen. Ein Journal in diesem Sinne sind persönliche Notizen über ihr Studium. (Vielleicht kennen Sie aus einer Lehrveranstaltung auch die Bezeichnung Lerntagebuch.) Im Journal brauchen Sie noch nicht dem Anspruch zu genügen, wissenschaftlich zu formulieren. Indem Sie erst einmal in Ihrer Alltagssprache über Fachinhalte schreiben, üben Sie, diese auszudrücken. Und wahrscheinlich werden Sie nach einiger Zeit feststellen, dass Ihnen das immer leichter fällt.
Mit der Zeit werden Sie Ihren eigenen Stil bzw. Ihre „eigene Schreibstimme“ entwickeln, in der sich die Konventionen des Formulierens in Ihrem Fach mit Ihren individuellen sprachlichen Vorlieben und Entscheidungen verbinden. Zwei recht unterschiedliche Schilderungen dieses Wegs können Sie in diesem Interview aus der Serie des Schreibzentrums der Universität Frankfurt hören, in dem zwei Forschende darüber sprechen, wie sie ihre „eigene Stimme“ für das wissenschaftliche Schreiben gefunden haben.
„Es ist wirklich erstaunlich (…) dass man da viele Leute spricht, die irgendwie so ein komisches Wissenschaftshochdeutsch sprechen. (…) Das ist (…) auch eine Herausforderung (…). Wenn man eben z. B. einen starken Dialekt spricht oder wenn man nicht Deutsch als Muttersprache hat oder, oder, oder … dann ist man natürlich immer damit konfrontiert, dass man sich irgendwie in dieses komische Wissenschaftssystem auch einpassen muss.“
Dr. Tino Petzold, (Ethnologie)
Wenn Sie weitere Unterstützung suchen, wissenschaftliches Formulieren zu lernen, können Sie
Ihre Fachlehrenden um Feedback auf einen kurzen Text bitten,

eine Veranstaltung zum Thema aus unserem Workshopprogramm besuchen,

oder sich in einer Schreibberatung mit dem Thema wissenschaftliche Sprache beschäftigen.
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Ulrike Lange
Mitarbeiterin am Schreibzentrum im ZfW. Arbeitsschwerpunkte: Schreibberatung und Schreibveranstaltungen, Plagiatsprävention, Mehrsprachigkeit.

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