Manche Dinge sind schwer zu vermitteln, gerade wenn es eher den Bereich der Haltung oder Einstellung betrifft; allerdings sind das genau die Aspekte, die aus unserer Sicht Voraussetzung dafür sind, dass Studierende in so einem Modul und darüber hinaus eine professionelle Beratungshaltung entwickeln können. Dazu gehört zum Beispiel echtes Interesse am Gegenüber bzw. daran, was sein oder ihr Problem ist, wie er oder sie schreibt und Probleme beim Schreiben löst. Dabei sollte man eine fragende Haltung einnehmen und dem Impuls widerstehen, dem Gegenüber eine vermeintliche Lösung des Problems zu präsentieren.
Deshalb ist ein weiterer wichtiger Bestandteil des Moduls das Handwerkszeug zum Beraten. Die Teilnehmenden üben verschiedene Gesprächstechniken, wie unterschiedliche Fragen zu stellen, oder das aktive Zuhören. Sie lernen, strukturierte Beratungsgespräche zu führen, in denen sie darauf achten, worum es gerade im Gespräch geht, was das Ziel ist, wie dies erreicht werden soll, und in denen sie dies den Ratsuchenden immer wieder zurückspiegeln, um sicher zu gehen, dass es wirklich um deren Anliegen geht. Diese Fähigkeiten sind besonders wichtig, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, denn in den Gesprächen geht es in der Regel nicht darum, dass die Schreibtutor*innen konkrete Antworten auf die Fragen der Studierenden haben. Die Vorstellung, alle Fragen beantworten zu müssen, hatten übrigens anfangs auch die Studierenden in diesem Modul. Das machte vielen Stress, denn woher sollen sie als Studierende schon alle Antworten kennen? Einerseits war es entlastend für sie zu verstehen, dass sie das nicht leisten müssen, andererseits fiel es auch vielen schwer, sich von dieser vorgestellten Expert*innenrolle zu verabschieden – vermutlich, weil ihnen gar nicht klar war, womit sie ihre Rolle stattdessen füllen können.
Für fast alle Studierenden ist ein Beratungsgespräch eine völlig ungewohnte Gesprächssorte. Sie machen beim Ausprobieren grundlegend neue Erfahrungen, die es zu verdauen gilt. Eines der größten Themen im Modul ist die Auftragsklärung aus dem systemischen Beratungskontext. Wir bringen die Studierenden bewusst in Situationen, in denen sie merken, dass sie den Auftrag noch nicht ausreichend geklärt haben und gar nicht so richtig wissen, was sie in ihrem Rollenspiel gerade tun. Viele haben schnell eine erste Idee, warum es sinnvoll ist, genau zu erfragen, was sich das Gegenüber wünscht, auszuhandeln, was in diesem Beratungsrahmen möglich ist, und dann gemeinsam zu entscheiden, was im Gespräch wie getan wird. Doch beim Ausprobieren merken sie dann oft, wie schwer es tatsächlich ist. Ein weiteres Thema, das oft vieles im eigenen Handeln verändert, ist das Arbeiten mit Hypothesen in Beratungen. Statt die eigene Hypothese beispielsweise über die Ursachen eines Problems oder die ideale Lösung für sich zu behalten und mehr oder weniger bewusst dennoch danach zu handeln, lernen die Studierenden, ihre eigenen Hypothesen zu erkennen und sie im Gespräch der anderen Person zur Verfügung zu stellen („Also ich habe gerade den Eindruck …“ oder „Könnte vielleicht …“). So kann die andere Person prüfen, ob die Hypothese für sie Sinn ergibt. Falls nicht, müssen die angehenden Schreibtutor*innen lernen, sich von dieser Hypothese zu verabschieden. Das ist gar nicht so leicht.

Geübt und ausprobiert wurde in dem Modul von Anfang an: die Studierenden haben sich in Kleingruppen gegenseitig beraten und es wurden Rollenspiele mit und vor der ganzen Gruppe gemacht. So haben wir auch versucht, Wissen über das Schreiben mit der Beratungspraxis zu verbinden. Aber auch Erfahrungen mit echten Ratsuchenden sind wichtig, da sie den Studierenden die Möglichkeit bieten, in realen Beratungssituationen authentische Reaktionen und Probleme zu erleben, die in Rollenspielen oft nicht vollständig simuliert werden können. Daher hospitierten die Studierenden im Schreibcafé und beobachteten erfahrene Schreibtutor*innen bei der Arbeit. Diese Hospitationen wurden reflektiert und ausgewertet, um die gewonnenen Erkenntnisse in die eigene Beratungspraxis zu integrieren und die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Abschließend durchliefen die Studierenden eine Praxisphase, in der sie sich in realen Beratungsgesprächen ausprobieren konnten.
Weil es beim Beraten sehr darauf ankommt, das eigene Tun kontinuierlich zu reflektieren, schließen die Studierenden das Modul mit einem Portfolio ab. Im Portfolio dokumentieren sie die einzelnen Stationen des Moduls (Schreibwerkstatt, Lektüreaufgaben, Beratungstreffen, Hospitationen, Praktikum), reflektieren ausgewählte Aspekte und machen so ihre Lernprozesse sichtbar.
Das Modul ist nun zu Ende und bei uns trudeln gerade die letzten Portfolios ein. Die erste neue Schreibtutorin aus dem Modul hat im November ihre Arbeit im Schreibcafé begonnen und wir freuen uns auch schon auf die nächste, die im Januar dazukommt.
Hier können Sie sich weiter informieren:
Kommen Sie ins Schreibcafé, lernen Sie die Schreibtutor*innen kennen und lassen Sie sich von ihnen beraten.
Hier erfahren Sie mehr zum Schreibberatung der RUB.
Wenn Sie Interesse haben, sich zur Schreibtutor*in qualifizieren zu lassen, wenden Sie sich an Nicole Hinrichs. Die nächste Qualifikation werden wir voraussichtlich 2026 anbieten.