Ist Ihnen in der UB schon mal das Schreibcafé aufgefallen? Dort bieten vom Schreibzentrum ausgebildete Tutor*innen Schreibberatung an. Aber was bedeutet „vom Schreibzentrum ausgebildet“? Was haben diese Studierenden gelernt, um Sie bei Ihrem Essay oder der Masterarbeit zu unterstützen? – Solche Fragen stellt man Mitstudierenden nicht gerne, deshalb geben wir Ihnen anhand des letzten Qualifizierungs-Moduls einen Einblick.
Warum eigentlich die Qualifizierung?
Das Schreibzentrum im ZfW bietet immer wieder größere und kleinere Qualifikationen zur Schreibberatung an, denn wir wollen, dass bei uns im Schreibcafé gut ausgebildete Peer-Schreibtutor*innen arbeiten. Gespräche über das Schreiben sind immer nützlich, die Gespräche mit den Peer-Schreibtutor*innen im Schreibcafé unterscheiden sich jedoch von Gesprächen mit anderen Mitstudierenden, eben weil die Schreibtutor*innen ausgebildet sind. Sie haben nicht nur einiges gelernt über das Scheiben und darüber, wie Studierende während des Studiums das Schreiben in ihrem Fach lernen, sie können Ihnen auch hilfreiche Fragen stellen und Sie unterstützen, neue Ideen zu entwickeln. Die Schreibtutor*innen können ein Gespräch so strukturieren, dass Sie danach vielleicht sogar genauer wissen, was Ihre ganz konkreten Fragen zum Schreiben oder zu Ihrem Text sind. Und sie haben vor allem auch gelernt, dass sich das Schreiben in den Fächern stark unterscheidet, und werden Ihnen deshalb nicht etwas raten, das vielleicht nur in ihrem eigenen Fach gilt. Und vor allem: Wenn Sie mit den Schreibtutor*innen sprechen, geht es – anders als in einem Gespräch mit anderen Mitstudiereden – nur um Ihre Arbeit und Ihre Anliegen.
Kurs im Optionalbereich
Im letzten Semester haben wir, Nicole Hinrichs und Ulrike Lange, wieder einmal eine „große“ Qualifizierung durchgeführt – als Kurs im Optionalbereich mit 10 Creditpoints. Nicht alle, die diesen Optionalbereichskurs besucht haben, wollen und werden im Schreibcafé arbeiten. Das Modul ist recht umfangreich, aber es lohnt sich für die Teilnehmenden auch: Abgesehen von den 10 Creditpoints können Studierende sich mit ihrem eigenen Schreiben beschäftigen und lernen viel über das wissenschaftliche Schreiben für ihr eigenes Studium. Zugleich erwerben sie aber auch Beratungswissen und -praxis, die sie später in vielen Kontexten einsetzen können – zum Beispiel auch als Einstieg in das Berufsfeld Schreibdidaktik.
Schreibberatung ist wirklich nicht leicht: Man muss viel wissen und sich zugleich ganz auf die ratsuchende Person einstellen und ihr nichts überstülpen. Es ist kein Korrektorat oder Lektorat, es ist kein Unterricht und keine Nachhilfe, bei der ich einer anderen Person sage, was sie wie machen soll – selbst wenn sich das die Ratsuchenden oft wünschen, aber das würde ihnen nicht helfen. Jeder zu schreibende Text ist anders, jede Schreibsituation ist anders, jeder Lern- und Schreibprozess ist individuell – alle müssen, können und dürfen ihren eigenen Weg finden. Genau bei dieser Suche unterstützt Schreibberatung durch Fragen, Systematisierungen, exemplarisches Feedback und Vorschläge.
In der Schreibdidaktik wurde in den letzten Jahren viel darüber diskutiert, was Studierende lernen sollten, um als Peer-Schreibtutor*innen arbeiten zu können. Eine Arbeitsgruppe der Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung, an der auch Mitarbeiterinnen aus Bochum beteiligt waren, hat ein Rahmenkonzept zur Ausbildung von Peer-Schreibtutorinnen entwickelt, das als Orientierung für unser Modul dient. Doch was genau lernen die Studierenden in dem Modul?
Kursinhalte
Selbstverständlich lernen die Teilnehmenden viel über das Schreiben, das Schreibenlernen und darüber, wie wissenschaftliche Texte funktionieren bzw. welche Konventionen für diese Texte gelten und wie die Teilnehmenden sinnvolles Feedback auf Textentwürfe geben können. Für all das reflektieren sie über ihr eigenes Schreiben(lernen), tauschen sich untereinander aus, machen Übungen aus unserem Workshopprogramm und lesen schreibwissenschaftliche Texte.
Aber das ist nur ein Teil des Moduls, denn schließlich geht es darum, andere beim Schreiben zu beraten, und das ist etwas anderes, als nur viel über das Schreiben und über wissenschaftliche Texte zu wissen. Und so paradox das auch klingen mag, hierfür ist es besonders wichtig zu verstehen, wie wenig wir über das Schreiben und über Texte in anderen Fächern wissen, und vor allem, wie wenig wir beurteilen können, wie eine andere Person ihre Schreibprobleme lösen kann.
Manche Dinge sind schwer zu vermitteln, gerade wenn es eher den Bereich der Haltung oder Einstellung betrifft; allerdings sind das genau die Aspekte, die aus unserer Sicht Voraussetzung dafür sind, dass Studierende in so einem Modul und darüber hinaus eine professionelle Beratungshaltung entwickeln können. Dazu gehört zum Beispiel echtes Interesse am Gegenüber bzw. daran, was sein oder ihr Problem ist, wie er oder sie schreibt und Probleme beim Schreiben löst. Dabei sollte man eine fragende Haltung einnehmen und dem Impuls widerstehen, dem Gegenüber eine vermeintliche Lösung des Problems zu präsentieren.
Deshalb ist ein weiterer wichtiger Bestandteil des Moduls das Handwerkszeug zum Beraten. Die Teilnehmenden üben verschiedene Gesprächstechniken, wie unterschiedliche Fragen zu stellen, oder das aktive Zuhören. Sie lernen, strukturierte Beratungsgespräche zu führen, in denen sie darauf achten, worum es gerade im Gespräch geht, was das Ziel ist, wie dies erreicht werden soll, und in denen sie dies den Ratsuchenden immer wieder zurückspiegeln, um sicher zu gehen, dass es wirklich um deren Anliegen geht. Diese Fähigkeiten sind besonders wichtig, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, denn in den Gesprächen geht es in der Regel nicht darum, dass die Schreibtutor*innen konkrete Antworten auf die Fragen der Studierenden haben. Die Vorstellung, alle Fragen beantworten zu müssen, hatten übrigens anfangs auch die Studierenden in diesem Modul. Das machte vielen Stress, denn woher sollen sie als Studierende schon alle Antworten kennen? Einerseits war es entlastend für sie zu verstehen, dass sie das nicht leisten müssen, andererseits fiel es auch vielen schwer, sich von dieser vorgestellten Expert*innenrolle zu verabschieden – vermutlich, weil ihnen gar nicht klar war, womit sie ihre Rolle stattdessen füllen können.
Üben, üben, üben …
Für fast alle Studierenden ist ein Beratungsgespräch eine völlig ungewohnte Gesprächssorte. Sie machen beim Ausprobieren grundlegend neue Erfahrungen, die es zu verdauen gilt. Eines der größten Themen im Modul ist die Auftragsklärung aus dem systemischen Beratungskontext. Wir bringen die Studierenden bewusst in Situationen, in denen sie merken, dass sie den Auftrag noch nicht ausreichend geklärt haben und gar nicht so richtig wissen, was sie in ihrem Rollenspiel gerade tun. Viele haben schnell eine erste Idee, warum es sinnvoll ist, genau zu erfragen, was sich das Gegenüber wünscht, auszuhandeln, was in diesem Beratungsrahmen möglich ist, und dann gemeinsam zu entscheiden, was im Gespräch wie getan wird. Doch beim Ausprobieren merken sie dann oft, wie schwer es tatsächlich ist. Ein weiteres Thema, das oft vieles im eigenen Handeln verändert, ist das Arbeiten mit Hypothesen in Beratungen. Statt die eigene Hypothese beispielsweise über die Ursachen eines Problems oder die ideale Lösung für sich zu behalten und mehr oder weniger bewusst dennoch danach zu handeln, lernen die Studierenden, ihre eigenen Hypothesen zu erkennen und sie im Gespräch der anderen Person zur Verfügung zu stellen („Also ich habe gerade den Eindruck …“ oder „Könnte vielleicht …“). So kann die andere Person prüfen, ob die Hypothese für sie Sinn ergibt. Falls nicht, müssen die angehenden Schreibtutor*innen lernen, sich von dieser Hypothese zu verabschieden. Das ist gar nicht so leicht.
Geübt und ausprobiert wurde in dem Modul von Anfang an: die Studierenden haben sich in Kleingruppen gegenseitig beraten und es wurden Rollenspiele mit und vor der ganzen Gruppe gemacht. So haben wir auch versucht, Wissen über das Schreiben mit der Beratungspraxis zu verbinden. Aber auch Erfahrungen mit echten Ratsuchenden sind wichtig, da sie den Studierenden die Möglichkeit bieten, in realen Beratungssituationen authentische Reaktionen und Probleme zu erleben, die in Rollenspielen oft nicht vollständig simuliert werden können. Daher hospitierten die Studierenden im Schreibcafé und beobachteten erfahrene Schreibtutor*innen bei der Arbeit. Diese Hospitationen wurden reflektiert und ausgewertet, um die gewonnenen Erkenntnisse in die eigene Beratungspraxis zu integrieren und die eigenen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Abschließend durchliefen die Studierenden eine Praxisphase, in der sie sich in realen Beratungsgesprächen ausprobieren konnten.
Weil es beim Beraten sehr darauf ankommt, das eigene Tun kontinuierlich zu reflektieren, schließen die Studierenden das Modul mit einem Portfolio ab. Im Portfolio dokumentieren sie die einzelnen Stationen des Moduls (Schreibwerkstatt, Lektüreaufgaben, Beratungstreffen, Hospitationen, Praktikum), reflektieren ausgewählte Aspekte und machen so ihre Lernprozesse sichtbar.
Das Modul ist nun zu Ende und bei uns trudeln gerade die letzten Portfolios ein. Die erste neue Schreibtutorin aus dem Modul hat im November ihre Arbeit im Schreibcafé begonnen und wir freuen uns auch schon auf die nächste, die im Januar dazukommt.
Hier können Sie sich weiter informieren:
Kommen Sie ins Schreibcafé, lernen Sie die Schreibtutor*innen kennen und lassen Sie sich von ihnen beraten.
Hier erfahren Sie mehr zum Schreibberatung der RUB.
Wenn Sie Interesse haben, sich zur Schreibtutor*in qualifizieren zu lassen, wenden Sie sich an Nicole Hinrichs. Die nächste Qualifikation werden wir voraussichtlich 2026 anbieten.
Wenn Sie als Lehrende Interesse haben, Fach-Schreibtutor*innen in Ihre Veranstaltung einzubinden, wenden Sie sich an Katinka Netzer.
Fotos: ZfW
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