2. Juni 2025
Julia Becker

Haben Sie schon mal Ihre Studierenden in Gruppen arbeiten lassen, und dabei festgestellt: Irgendwie klappt das nicht so richtig? Das kann unterschiedliche Gründe haben, und es gibt viele Möglichkeiten, produktiv damit umzugehen. Das lohnt sich, denn Gruppenarbeiten im Sinne eines kooperativen Lernens können neben dem Erwerb von Fachwissen dazu dienen, dass Studierende Kooperationskompetenz erwerben.
Von unproduktiver Zusammenarbeit und sozialem Faulenzen
Gruppenarbeit, oder kooperatives Lernen, kann ein sehr lernförderliches Lehr-Lern-Arrangement sein, das zeigt die Forschung im Bereich der Lehr-Lern-Forschung und Instruktionsforschung. Kooperatives Lernen hat Stärken, die wir uns in der Lehre zu Nutze machen können. So eignet sich Gruppenarbeit z.B. dazu, Fachwissen zu erweitern und neues zu erwerben. Auch bieten studentische Gruppenarbeiten die Möglichkeit, dass die Lernenden Kooperationskompetenz erwerben, also eine für den späteren Beruf wichtige Fähigkeit.
Ein Grund dafür: Im ersten Moment erscheint Gruppenarbeit aufwändiger als allein zu lernen, da die Studierenden beispielsweise miteinander kommunizieren müssen (persönlich, via E-Mail, Messenger, etc.), um die Zusammenarbeit zu koordinieren. Gerade bei wenig komplexen Aufgaben übersteigen diese Prozesskosten die Vorteile von Kooperation (z.B. dass sie gemeinsam mehr Ressourcen haben).
Ein anderer Grund: Produktionsblockierung. Das beschreibt den Umstand, dass Studierende einander im Denken, insbesondere bei Brainstorming-Prozessen, unterbrechen. Äußern einige Gruppenmitglieder immer wieder laut ihre Gedanken, stört das die Denkprozesse der anderen.
Auch das Trittbrettfahrerphänomen (in der Forschung als soziales Faulenzen bezeichnet) gehört zu den Gründen, warum Gruppenarbeiten scheitern können. Von sozialem Faulenzen wird gesprochen, wenn sich ein einzelnes Gruppenmitglied kaum (oder gar nicht) in die Gruppenarbeit einbringt, beispielsweise selten auf Rückfragen antwortet oder zugewiesene Aufgaben nicht, oder nur gerade so eben, erledigt. Haben Studierende in dieser Hinsicht schlechte Erfahrungen mit Gruppenarbeiten gemacht, kann es sein, dass sie zukünftigen Gruppenarbeiten skeptisch gegenüberstehen.
Dieses Phänomen ergibt sich vor allem daraus, dass die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass die Studierenden eine Information besprechen, wenn mehr Gruppenmitglieder über sie verfügen. Außerdem erhalten Gruppenmitglieder in der Regel eine positive Rückmeldung durch die anderen Gruppenmitglieder, wenn sie etwas beitragen, was alle wissen oder dem alle zustimmen. Andersherum ist es schwieriger für Informationen, die nur einzelne Gruppenmitglieder haben (z.B., weil es ihr Fachgebiet ist), in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Die anderen Gruppenmitglieder können diese Informationen möglicherweise nicht so einfach mit ihrem Vorwissen oder ihren Entscheidungspräferenzen übereinbringen.
Lernförderliche Interaktionen anregen
Angesichts dieser potenziellen Hindernisse ist es nicht verwunderlich, dass Studierende (und Lehrende) oft Vorbehalte gegenüber Gruppenarbeiten haben. Dabei können Sie als Lehrperson lernförderliche Interaktionen anregen und sie so gestalten, dass die Studierenden einen Gewinn daraus ziehen. Eine Möglichkeit: Lassen Sie die Studierenden sich gegenseitig etwas erklären. Erklären ist eine sehr effektive Lernaktivität und hat zwei lernförderliche Funktionen. Erstens ist das Geben von Erklärungen eine äußerst wirksame kognitive Lernstrategie: Das Erklären hilft dabei, das eigene Verständnis zu vertiefen, indem Zusammenhänge zwischen Konzepten aus dem Gedächtnis abgerufen werden und erklärt werden. Zweitens hat das Geben von Erklärungen auch eine metakognitive Funktion.
Vielleicht führt das Erklären von selbst zu einer Diskussion unter den Lernenden. Diskutieren als Wissens-Ko-Konstruktion fördert Lernen in Interaktion. Entscheidend hierbei ist, dass die Lernenden ihr Wissen nicht nur durch das Erklären einzelner Gruppenmitglieder vertiefen, sondern gemeinsam aufbauen und weiterentwickeln. Wenn die Studierenden sich dann noch aufeinander beziehen (cross-cueing), dann kann der Lerneffekt noch größer ausfallen.
Auch können Sie darauf setzen, dass Ihre Studierenden ins kognitive Modellieren kommen. Ein Beispiel: Eine Studentin zeigt in einer Mathegruppe, wie sie eine Gleichung löst und denkt dabei laut über die gedanklichen Problemlöseschritte nach. Die anderen können diese Methode dann adaptieren und auf ähnliche Probleme anwenden.

Tipps für lernförderliche Interaktionen:
Bilden Sie maximal 5er-Gruppen, damit sich alle Gruppenmitglieder einbringen können.
Regen Sie Ihre Studierenden dazu an, Fragen zu stellen und sich gegenseitig Inhalte zu erklären.
Stellen Sie sicher, dass sich die Studierenden beim Ideensammeln nicht gegenseitig unterbrechen.
Konkrete Ideen für die Lehre
Schaffen Sie bei studentischen Gruppenarbeiten eine positive soziale Abhängigkeit (social interdependence). Dies bedeutet, dass die Aufgabe so gestaltet sein muss, dass jedes Gruppenmitglied seine individuellen Ziele während des Lernens nur erreichen kann, wenn die anderen Gruppenmitglieder ebenfalls ihre Ziele erreichen. Auf diese Weise sind Gruppenmitglieder motiviert, sich gegenseitig beim Lernen zu unterstützen (beispielsweise, sich gegenseitig Inhalte zu erklären). Hierbei ist besonders wichtig, dass jedes Gruppenmitglied weiß, dass seine Beiträge für den Erfolg der Gruppe relevant sind und dass jedes Gruppenmitglied seine Beiträge zum Gruppenerfolg auch identifizieren kann.
Ein weiterer Ansatz zur Förderung von Zusammenarbeit ist das Prinzip „split where interaction should happen“ (SWISH) bei dem die Aufgabe so aufgeteilt wird, dass Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern erforderlich wird. Metaphorisch gesprochen erzeugt die Aufgabenstruktur eine „Kluft“ zwischen den Gruppenmitgliedern, die diese durch (lernförderliche) Interaktion überwinden müssen. Ein anschauliches Beispiel für das SWISH-Prinzip ist das Gruppen- oder Expert*innenpuzzle. Ziel eines Expertenpuzzles ist es, gemeinsam eine Lösung für ein Problem zu finden. Das Problem ist allerdings komplex und erfordert die Expertise aller Gruppenmitglieder.
Eine konkrete Methode, um der Produktionsblockierung entgegenzuwirken, ist das Brainstorming per Brain-Writing Pool. Hierbei handelt es sich um eine Variante des kooperativen Brainstormings, bei dem alle Gruppenmitglieder schriftlich Ideen zu einem Thema oder einer Fragestellung sammeln, ohne während der Ideenfindung mündlich zu interagieren.
Das Diskutieren können Sie in Ihrer Lehre mithilfe der Strukturierten Akademischen Kontroverse fördern. Dabei arbeiten die Studierenden in Kleingruppen und diskutieren ein kontroverses Thema aus verschiedenen Perspektiven. Im Vordergrund stehen hier das Erklären und Argumentieren. Auf diese Weise erschließen sich die Lernenden ein Thema und beleuchten verschiedene Positionen auf eine Fragestellung. Eine genaue Anleitung (sowie weitere Tipps und Hinweise) finden Sie im LEHRELADEN-Beitrag.
Angeklickt und weitergelesen
Dieser Blogbeitrag basiert auf der entsprechenden Rubrik „Gruppenarbeit und -dynamik“ im LEHRELADEN, dem Downloadcenter für inspirierte Lehre. Im Beitrag finden Sie weitere Informationen sowie eine Fülle weiterer Tipps für lernfördernde Gruppenarbeiten.
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Bildnachweis:
Titelbild: pexels.com
Weitere Bilder: selbst erstellt
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Julia Becker
Julia Becker (geb. Philipp) ist verantwortlich für den LEHRELADEN des Zentrums für Wissenschaftsdidaktik und beschäftigt sich hauptsächlich mit prüfungsdidaktischen Themen. Sie konzipiert und leitet Fortbildungen zum Thema Prüfen, Evaluieren und zu anderen Themen rund um die Lehre, z.B. kreativen Lehr- und Lernmethoden.
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