Unser Job am Schreibzentrum ist es u.a., übers Schreiben nachzudenken, uns mit Forschung über das Schreiben zu beschäftigen, mit Kolleg*innen, Studierenden und Lehrenden übers Schreiben zu sprechen oder, wie in diesem Blogbeitrag, übers Schreiben zu schreiben. Ich habe am Tag unzählige Gedanken zum Schreiben, wie es vermittelt werden kann, wie ich es angehen kann, wie ich dazu beraten kann, wie ich zu einigen Tools oder Ansichten stehe etc. Von einigen dieser Gedanken vermute ich, dass sie Ihnen interessante, vielleicht neue, möglicherweise auch herausfordernde Perspektiven aufzeigen können.
Bevor es losgeht, muss ich die Aspekte aber etwas einordnen. Die Aspekte, die ich hier nenne
müssen nicht Ihre Arbeitsweise und Ihren Schreibprozess betreffen. Es kann sein, dass Sie sich bei manchen Aspekten mehr erkennen und bei manchen weniger oder auch gar nicht,
liegen auf unterschiedlichen Ebenen, d.h. manche betreffen bspw. eher das konkrete Verfassen von Texten, manche gehen eher auf den gesamten Arbeitsprozess und seine Organisation ein und manche betreffen eher Gedanken, die man manchmal beim Schreiben hat,
sind nicht vollständig. Natürlich gibt es noch viel mehr Aspekte, die unter diese Überschrift passen. Vielleicht schreibe ich auch noch einen weiteren Artikel zu „7 weiteren Dingen…“.
Nr. 1: ChatGPT bzw. GPT@RUB
Tools wie ChatGPT bzw. GPT@RUB liefern zu jedem Input einen Text oder fünf mögliche Fragestellungen für eine Hausarbeit oder eine Struktur etc., je nachdem, was Sie gerade erfragen. Mir ist auch total klar, warum etwas hilfreich erscheint, was mir zu jeder Minute am Tag eine Antwort oder eben einen Text liefert. Besonders, wenn das Schreiben mal stockt oder man mit den eigenen Formulierungen unzufrieden ist, kann eines der GPTs schon sehr attraktiv sein. Dabei sollten Sie allerdings ein paar Dinge bedenken:
- Können Sie den generierten Output, egal ob Absatz oder Struktur, beurteilen? Können Sie entscheiden, ob die ausgegebene Struktur zur Fragestellung passt und für Sie umsetzbar ist? Ich habe es schon einige Male gesehen, dass Studierende versucht haben, sich einer KI-generierten Struktur zu beugen, wodurch das Ziel und der eigentliche Sinn der Arbeit verloren gegangen sind und der Schreibprozess durchaus quälend war.
- Wissen Sie, dass Sie etwas Wichtiges verpassen? Sie nehmen sich durch den Einsatz von textgenerierender KI Chancen zum Schreibenlernen, vor allem, wenn Sie sich ganze Texte schreiben lassen. Irritationen, Unsicherheiten und Probleme beim Schreiben sind unangenehm und stoppen meistens – so wirkt es zumindest – den Fortschritt. Bspw. beim Strukturieren genau zu überlegen, was die Funktion von jedem Kapitel ist und welche Inhalte deswegen in die jeweiligen Kapitel gehören, ist aufwändig und komplex, weshalb es eben oft nicht so schnell geht oder direkt klar ist. Es ist aber ganz normal, dass solche Arbeitsschritte mal länger dauern oder Sie die ersten beiden Ideen komplett verwerfen. Das bedeutet nicht, dass Sie dazu nicht in der Lage sind bzw. es nicht ausprobieren und lernen können und es direkt outsourcen müssen.
- Wissen Sie, wie der Einsatz von KI für Ihre Prüfungsleistung geregelt ist? Da sollten Sie sicher sein, denn sonst kann der Einsatz von KI-Tools bei Prüfungen, was Hausarbeiten ja auch sind, Betrug sein. Erkundigen Sie sich bei Ihren Dozierenden.
Ratgeber sollten Sie immer mit etwas Vorsicht gebrauchen. Ratgeber können – ebenso wie dieser Blogartikel – nicht individuell auf Sie eingehen. Schreiben und Schreibenlernen ist aber sehr individuell und pauschale Antworten oder Vorgehensweisen können da eben nur bedingt hilfreich sein. Gerade wenn man noch sehr schreibunerfahren ist, ist es zudem schwierig, Informationen aus Ratgebern kritisch einzuordnen und zu reflektieren. Deshalb gilt es für Sie gut zu schauen, bis wohin ein Ratgeber Ihnen Orientierung geben kann und ab wann Sie merken, dass Sie etwas anderes brauchen.
Nr. 3: Sich der Schreibblockade hingeben und abwarten
Es ist vollkommen normal, dass Sie
sich beim Schreiben mal blockiert fühlen ,egal, ob es um die Formulierung für die Fragestellung, die Struktur oder den ersten Satz geht. Das kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht ist das Thema noch nicht gut genug eingegrenzt und es lässt sich noch keine angemessene Fragestellung ableiten. Vielleicht wissen Sie nicht, was in einer Hausarbeit von Ihnen erwartet wird, und können deswegen keine Struktur entwerfen. etc. Sie können sich an verschiedenen Stellen Anregungen und Unterstützung holen, bspw. mit Bedacht in Ratgebern, im Austausch mit Mitstudierenden oder in der Schreibberatung und in Schreibworkshops. All diese Punkte haben allerdings eines gemeinsam: Bleiben Sie aktiv, warten Sie nicht darauf, dass die Blockade von selbst aufhört.
Nr. 4: Auf Inspiration warten
Ähnlich ist es mit der Inspiration, die man doch für Schreiben braucht – oder etwa nicht? Die kurze Antwort ist: Nein, Sie brauchen weder Inspiration noch Talent beim wissenschaftlichen Schreiben, denn es ist Arbeit. Auch bei vermeintlich fehlender Inspiration hilft kein Warten, sondern Sie sollten kritisch bei sich selbst nachhaken: Warum schreibe ich gerade nicht? Warum mache ich gerade nicht, was ich tun sollte? Weiß ich, was ich genau machen will und muss? Habe ich alle Informationen dazu? Gibt es noch andere Arbeitsschritte, die ich vorher erledigen muss? Ihnen fehlt keine Eingebung, die Sie zum Schreiben befähigt, Ihnen fehlt wahrscheinlich nur Erfahrung, diesen Arbeitsprozess selbst produktiv zu gestalten. Und manchmal ist es der Spaziergang oder zwei Folgen der Komfort-Serie, während derer sich Gedanken setzen können, und plötzlich geht es wieder voran – nur können Sie nicht darauf verlassen, dass das immer so passiert.
Nr. 5: Probleme für sich behalten
„Alle anderen schaffen es ja auch ohne Probleme.“, „Stell dich mal nicht so an, schreib doch einfach.“ Kennen Sie diese Gedanken beim Schreiben? Ich glaube, es ist keine allzu gewagte These, wenn ich sage, dass die meisten Studierenden schonmal solche Gedanken hatten oder haben. Man kann wahrscheinlich nichts dagegen tun, dass solche Gedanken aufkommen. Man muss sich diesen Gedanken aber nicht ergeben.
Es ist nie einfach, über Probleme zu sprechen, aber Sie können den Ball ins Rollen bringen, indem Sie ein Gespräch mit Mitstudierenden über Schreibschwierigkeiten initiieren, und sei es mit der Frage „Wie machst du das eigentlich?“. Sie können auch zur Schreibberatung gehen, um Probleme, Schwierigkeiten oder Unsicherheiten mit Schreibtutor*innen oder Schreibberater*innen gemeinsam zu bearbeiten.
Nr. 6: Nicht mit dem Lesen aufhören (und nicht mit dem Schreiben beginnen)
Es ist oft schwierig, sich vom Lesen und Notizenmachen zu lösen und mit dem Schreiben anzufangen. Natürlich brauchen Sie für Ihre Hausarbeit Literatur und wahrscheinlich werden Sie insgesamt auch mehr lesen, als Sie letztendlich in Ihrer Arbeit angeben, um zunächst bspw. einen Einblick in ein Thema zu gewinnen.
Es ist aber leider einfach, sich selbst zu sagen, dass man noch einen Artikel und noch einen Artikel lesen muss, weil man die Informationen braucht. Auch wenn es da keine genauen Richtwerte gibt, wäre es doch eher unüblich, wenn Sie wirklich 50 Artikel lesen müssten, um Ihre zwölfseitige Hausarbeit zu schreiben. Gerade wenn es Ihnen schwerfällt, den Absprung zu finden, kann es oftmals sinnvoll sein, willkürlich mit dem Lesen aufzuhören und mit dem Schreiben zu beginnen, um mit einer ersten Textfassung Informationslücken zu identifizieren, die Sie dann durch weiteres Lesen und Recherchieren füllen können.
Nr. 7: Nach dem idealen Schreibsystem suchen
Im Internet gibt es viele Seiten und Posts, die die 10 Schritte zur perfekten Bachelorarbeit oder das ultimative System für jede Hausarbeit versprechen. Wahrscheinlich wissen Sie genauso gut wie ich, dass das nur Clickbait ist. Aber ich kann auch verstehen, dass man sich davon Hilfe verspricht, wenn es mal nicht gut läuft. Wissenschaftliches Schreiben ist neu für Sie und dementsprechend müssen Sie es erst noch lernen. Dabei ist es viel hilfreicher, sich ein
Repertoire an Arbeits- und Schreibstrategien aufzubauen, als für alle Situationen nach dem einen „idealen System“ zu suchen.
Was fällt Ihnen noch ein? Haben Sie noch eine Perspektive auf das Schreiben, die für Sie hilfreich ist? Egal ob unkonventionell oder sogar ein „hot take“: Schreiben Sie alles in die Kommentare, vielleicht gibt es dann einen zweiten Artikel mit sieben weiteren Dingen.
Das Schreibzentrum bietet Ihnen verschiedene Möglichkeiten, um neue Perspektiven, neue Methoden und Ideen für das Schreiben zu entwickeln:
In unseren Workshops treffen Sie andere Studierende. Zu einem vorgegebenen Thema gibt es Übungen, Austausch und Reflexionsanlässe.
Mit dem Schreibpeertutor*innen können Sie über Ihre individuellen Anliegen sprechen. Sie treffen Sie im Schreibcafé von montags bis freitags zwischen 10 und 16 Uhr und brauchen keinen Termin.
Mit den Mitarbeiter*innen des Schreibzentrums können Sie einen Beratungstermin vereinbaren, um über Ihr Anliegen zu sprechen.
Nutzen Sie auch unsere monatliche Online-Sprechstunde für kleine Fragen rund ums Schreiben und unseren Angeboten: jeden ersten Montag im Monat von 18 bis 19 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Alle Infos und den Zoom-Link finden Sie hier .
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